House of God
Magenverstimmung behandelte, sah ich wie Gath einen jungen Mann durch die Tür hereinlockte. Der Mann blieb stehen und beäugte uns mißtrauisch unter einem lilafarbenen Damenhöschen hervor, das er auf dem Kopf trug. Cohen erschien abermals und versuchte, mit ihm zu sprechen. Aber er gab es bald auf, und als ich fragte, warum, sagte er:
»Paranoide homosexuelle Panik. Lassen Sie die Finger davon. Wir behandeln mit Zeit-Tinktur. Wir warten.«
Cohen begab sich zu einem »Jesus Christus« und ich zu einem »Sohn von Charlie Chaplin«, der unerträgliche Kopfschmerzen hatte und nach Codein verlangte. Ich schob ihn ab, zurück auf die Straße. Mir wurde klar, wie viele dieser Menschen eher Cohen brauchten als mich. In der Pause beobachtete ich Elihu dabei, wie er einen hünenhaften, betrunkenen Norweger mit der »Standardmethode« wach machte: Er verpackte ihm die Eier in Eiswürfel. Die Schwester kam und sagte, da sei ein Mann, den ich mir sofort ansehen müßte, sein Blutdruck sei über 150 : »Patent angemeldet«.
»Patent angemeldet? Was zum Teufel ist das?«
»Ganz oben an der Skala, wo das Quecksilber aufhört, steht auf dem Gerät ›Patent angemeldet‹. Höher geht’s nicht.«
Ein neuer Rekord im
House of God.
Der Norweger wachte aus seinem Rausch auf, schrie:
»Du Schwein, leck mir meinen königlich-norwegischen Arsch!« und jagte Elihu durch die Stationszentrale. Gath und ich hofften, er würde ihn kriegen. Ich ging und sah mir den Mann mit dem hohen Blutdruck an. Er war ein fetter, schwarzer Typ mit unruhigem Blick, geschwollenen Fußgelenken, feuchten Lungen und schrecklichen Kopfschmerzen. Er ließ mich einen Zugang legen, und als ich ihm sagte, jeden Augenblick könnten seine Hirnstammarterien platzen, willigte er ein, sich ins
House
aufnehmen zu lassen. Dann riß er den Zugang raus und sagte, Blut um sich spritzend, erst müsse er »einige Geschäfte erledigen«, zu denen ein silberner Cadillac und zwei Frauen gehörten, und taumelte hinaus. Den höchsten Blutdruck, den das
House of God
je hatte, auf die Straße abgeschoben zu haben, förderte meinen Ruf als »Wand« ungemein.
Gegen elf Uhr kam etwas Wundervolles: Eine erotische Strähne. Eins der wenigen echten Vergnügen des Arztlebens: unter dem Vorwand, seinen Beruf auszuüben, durfte man attraktive Frauen ausziehen – etwas, was man sonst nur in der Phantasie tat. Ich begann mit einer persischen Prinzessin und endete mit einer einsamen, oralen Studentin, die, unfähig, sich zwischen ihrem Vater und ihrem Freund zu entscheiden, plötzlich Schluckbeschwerden bekommen hatte, was ihr in dieser einsamen Samstagnacht einen jungen jüdischen Arzt bescherte, der bona fide medizinisch-erotischen Kontakt zu ihrem Mund aufnahm, zu Zunge, Rachenring, Naso-Oro-Pharynx, Hals, Kehle, Schlüsselbein, Brustkorb und sogar Brustwarzen, warum auch nicht?
Die bemerkenswerteste Frau war eine Dänin, mit strahlend weißen Zähnen, blondem Haar und blonden Wimpern – was auch blondes Schamhaar bedeutete – mit rosigen, winterkalten Wangen und Augen so blau wie ein Fjord. Sie trug ein hautenges, goldenes Wickelkleid, das eine Schulter freiließ und ihre Brustwarzen abzeichnete. Perfekt bis zu den i-Tüpfelchen. Sie klagte über »einen Krampf im Nacken, der bis in die Brust hineinzieht«. Oh, Freude, Freude. Ich scherzte und flirtete, fragte sie über den Krampf und diese Brust aus. Ich mußte mich entscheiden, ob sie sich für mich ausziehen sollte oder nicht. Ich zögerte. Die Spannung wuchs. Sie sah mich spöttisch an, während ich schwieg. Jetzt hatte ich es verpatzt. Ich wurde rot, sagte dann aber:
»Ich sollte mir das genauer ansehen. Würden Sie bitte diesen Untersuchungskittel anziehen?«
Sie sah mir in die Augen und rührte sich nicht, und ich dachte, oh, nein, das gibt Ärger, jetzt ist es passiert, sie wird mich verpfeifen. Und ich sah schon die Schlagzeilen von morgen: NORWEGISCHER SEEMANN ERSCHLÄGT
TERN
IM
HOUSE OF GOD
– DÄNISCHE SCHÖNHEIT ANLASS FÜR VERBRECHEN AUS LEIDENSCHAFT .
»Aber sicher«, sagte sie und lächelte ein blau-blondes Lächeln.
Sie wußte Bescheid und spielte mit! Ich ging auf die andere Seite des Vorhangs. Zu einer anderen jungen Frau und einer Schwester.
»Überdosis an Hundefutter«, sagte die Schwester.
»Oh?« fragte ich aufgedreht. »Und was ist die normale Dosis Hundefutter?«
Ich begann die Hundefutterfresserin zu untersuchen, die einen ganz anderen erotischen Aspekt verkörperte: träge, schamlos, nackt
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