House of Night 7. Verbrannt
blieb.
Sie betrachtete ihn und schüttelte den Kopf. »Ich bin nich so blöd wie du denkst. Du bist viel zu kaputt, als dass du unauffällig sein könntest, also hör auf, mich anzustarren. Mir geht’s gut. Mann, du bist schlimmer als meine Mama.«
»Hast du inzwischen mit ihr gesprochen?«
Stevie Raes Stirnrunzeln vertiefte sich. »Ich hatte in den letzten Tagen nich gerade viel Zeit für mich. Nee, ich hab noch nich mit ihr geredet.«
»Du solltest es tun.«
»Ich red jetzt nich über meine Mama.«
»Wie du wünschst.«
»Und den Ton brauchst du bei mir auch nich anzuschlagen.«
»Welchen Ton?«
Statt ihm zu antworten, sagte sie: »Setz dich einfach hier hin und sei zur Abwechslung mal still und lass mich nachdenken, wie ich dir helfen kann.« Als wollte sie ihm zeigen wie, setzte sie sich mit überkreuzten Beinen hin, den Rücken gegen die alte Zeder gelehnt, von der rundherum kleine Eisstückchen und duftende Nadeln ins Gras fielen. Als Rephaim reglos stehen blieb, machte sie ein ungeduldiges Geräusch und zeigte neben sich. »Setz dich hin.«
Er setzte sich.
»Und nun?«
»Wart noch ’ne Minute. Ich bin nich sicher, wie ich das anfangen muss.«
Er sah eine Weile zu, wie sie, die Stirn in tiefen Falten, eine ihrer weichen blonden Locken um einen Finger drehte, dann fragte er: »Wäre es vielleicht hilfreich, darüber nachzudenken, was du getan hast, als du diesen lästigen Jungvampyr stolpern ließest, der glaubte, er könne mich bedrohen?«
»Dallas ist nich lästig, und er dachte, du hättest mich angegriffen.«
»Gut, dass das nicht der Fall war.«
»Warum?«
Trotz seiner bohrenden Schmerzen belustigte ihn ihr Ton. Sie wusste sehr gut, dass dieser mickrige Jungvampyr keine Bedrohung für ihn gewesen wäre, nicht einmal in seinem geschwächten Zustand. Hätte Rephaim sie oder jemand anderen angreifen wollen, der erbärmliche Jüngling hätte ihn nicht daran hindern können. Doch der Junge hatte ein rotes Mal auf der Stirn getragen, was ihn als einen ihrer Untertanen auswies, und wenn seine Stevie Rae etwas war, dann loyal bis zum Äußersten. Daher neigte Rephaim nur beschwichtigend den Kopf. »Weil es ärgerlich gewesen wäre, wenn ich mich hätte verteidigen müssen.«
Stevie Raes Lippen hoben sich in der Andeutung eines Lächelns. »Dallas hat echt gedacht, er müsste mich vor dir beschützen.«
»Du brauchst ihn nicht.« Wieder sprach er ohne nachzudenken. Stevie Rae blickte ihn direkt an und hielt seinen Blick fest. Er wünschte, er könnte ihr Mienenspiel leichter deuten. Er glaubte, Überraschung in ihren Augen zu sehen, vielleicht das Aufblitzen von Hoffnung, aber auch Furcht sah er – da war er ganz sicher. Furcht vor ihm? Nein, sie hatte bereits bewiesen, dass sie sich nicht vor ihm fürchtete. Also musste es eine innere Furcht sein, nicht vor ihm, aber durch ihn ausgelöst. Weil ihm nichts anderes einfiel, sagte er: »Wie du bereits gesagt hast, könnte ich im Moment keine Fliege totschlagen. Ich war keinesfalls eine Bedrohung für dich.«
Stevie Rae blinzelte ein paarmal, als ob sie eine ganze Menge Gedanken verscheuchen müsste, dann zuckte sie mit den Schultern. »Na ja, mich hat’s ganz schön Mühe gekostet, die Leute im House of Night davon zu überzeugen, dass es nur ’n wilder Zufall war, dass du vom Himmel gefallen bist, gerade als sich die Finsternis manifestiert hatte, und dass du mich
nich
angegriffen hast. Seit sie wissen, dass es in Tulsa noch ’nen Rabenspötter gibt, machen sie’s mir wahnsinnig schwer, allein aus der Schule wegzukommen.«
»Ich sollte fortgehen.« Bei den Worten breitete sich eine seltsame Leere in ihm aus.
»Wohin würdest du denn gehen?«
»Nach Osten«, sagte er ohne zu zögern.
»Osten? Du meinst, den ganzen Weg nach Venedig? Rephaim, dein Daddy ist nich in seinem Körper, du kannst ihm nich helfen, indem du zu ihm gehst. Ich glaub, du kannst ihm mehr helfen, wenn du hier bleibst und mit mir daran arbeitest, Zoey und ihn zurückzubringen.«
»Du willst nicht, dass ich gehe?«
Stevie Rae senkte den Blick, als wollte sie die Erde, auf der sie saßen, in jeder Einzelheit studieren. »Für ’nen Vampyr ist es hart, wenn die Person, mit der er ’ne Prägung hat, weit weg ist.«
»Ich bin keine Person.«
»Na ja, wir haben aber trotzdem ’ne Prägung, also denke ich, dass die Regeln auch für uns gelten.«
»Dann werde ich bleiben, bis du mich bittest zu gehen.«
Sie schloss die Augen, als hätten die Worte sie verletzt, und er
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