House of Night 7. Verbrannt
dir gehört, dummer Kerl. Du kannst diese Kraft nich behalten. Sie gehört der Erde. Du kannst sie nur ausleihen und dann mit ›tausend Dank‹ wieder zurückschicken.«
Rephaim wollte schon sagen, dass das lächerlich war – man gab Macht, die einem verliehen wurde, nicht wieder her. Man behielt sie, machte sie sich zu eigen und bediente sich ihrer.
Fast
hätte er es gesagt – aber er konnte nicht. Die Worte kamen ihm nicht richtig vor, während die sanfte Energie der Erde in ihn einströmte.
Stattdessen tat er, was sich richtig anfühlte. Er stellte sich die Energie, die ihn erfüllte, als schimmernden grünen Lichtstrahl vor, der langsam seinen Rücken hinunter und wieder zurück in die Erde wanderte, woher er gekommen war. Als die wohlige Wärme ihn verließ, sagte er sehr leise: »Danke.«
Dann war er wieder er selbst, der unter einer großen Zeder auf dem feuchtkalten Boden saß und Stevie Raes Hände hielt.
Er öffnete die Augen.
»Besser?«, fragte sie.
»Ja. Viel besser.« Rephaim lockerte seine Hände, und diesmal zog sie die ihren weg.
»Wirklich? Ich mein, ich hab die Erde gespürt und wusste, dass ich sie in dich fließen lasse, und ich hatte auch das Gefühl, dass du sie spürst.« Sie betrachtete ihn mit leicht schief gelegtem Kopf. »Du siehst besser aus. In deinen Augen sehe ich keinen Schmerz mehr.«
Er stand auf, begierig, es ihr zu demonstrieren, breitete die Arme aus und entfaltete die großen Schwingen, so wie ein Mensch die Muskeln spielen ließe. »Sieh. Es bereitet mir keine Schmerzen mehr.«
Sie saß auf dem Boden und starrte mit großen Augen zu ihm hoch. Ihr Gesichtsausdruck war so seltsam, dass er automatisch die Arme sinken ließ und die Schwingen auf dem Rücken faltete.
»Was ist?«, fragte er. »Stimmt etwas nicht?«
»Ich hatte ganz vergessen, dass du zum Park geflogen bist. Und, na ja, auch wieder zurück.« Sie machte ein Geräusch, das wie ein Lachen geklungen hätte, wäre es nicht so erstickt gewesen. »Ich bin doof, oder? Wie hab ich so was vergessen können?«
»Ich nehme an, du hast dich daran gewöhnt, mich als leidend zu betrachten.« Er versuchte zu verstehen, warum sie plötzlich einen so distanzierten Eindruck machte.
»Wie ist dein Flügel wieder ganz geworden?«
»Durch die Erde.«
»Nein, nicht gerade eben. Er war schon nicht mehr gebrochen, als wir hier rauskamen. Deine Schmerzen kamen woanders her.«
»Ah, so. Mein Flügel ist seit der letzten Nacht wieder heil. Meine Schmerzen rührten von der Finsternis und dem, was sie meinem Körper angetan hatte.«
»Und wie wurden dann gestern Nacht dein Arm und dein Flügel geheilt?«
Rephaim hätte am liebsten nicht geantwortet. Während sie ihn mit großen, anklagenden Augen ansah, spürte er, dass er lieber gelogen hätte – etwa indem er behauptete, es sei ein Wunder gewesen, bedingt durch die Unsterblichkeit seines Blutes. Aber er konnte sie nicht anlügen. Er
wollte
sie nicht anlügen.
»Ich habe mich einer Macht bedient, über die ich durch meines Vaters Blut gebiete. Ich musste. Ich hatte gehört, wie du mich riefst.«
Sie blinzelte, und er sah in ihrem Blick, wie sie mit einem Mal verstand. »Aber der Stier meinte, du seist mit seiner Macht erfüllt, nich mit der von deinem Vater.«
Rephaim nickte. »Ich spürte, dass es eine andere Macht war. Ich wusste aber nicht warum, und mir war auch nicht klar, dass ich Macht aus der Finsternis selbst schöpfte.«
»Also hat dich die Finsternis geheilt.«
»Ja, und dann hat die Erde die Wunde geheilt, die die Finsternis mir schlug.«
»Okay, na gut.« Abrupt stand sie auf und klopfte sich die Jeans ab. »Dir geht’s jetzt besser, und ich muss gehen. Wie gesagt, ich kann nich mehr so einfach verschwinden, jetzt wo das ganze House of Night die Krise schiebt, weil ’n Rabenspötter in Tulsa ist.«
Sie wollte sich eilig entfernen. Er griff nach ihrem Handgelenk.
Sie zuckte vor ihm zurück.
Sofort ließ Rephaim die Hand sinken und trat einen Schritt zurück.
Sie blickten sich an.
»Ich muss gehen«, wiederholte sie.
»Wirst du zurückkehren?«
»Ich muss! Ich hab’s ja versprochen!«, brüllte sie ihn an, und die Worte waren wie Ohrfeigen.
»Ich entbinde dich von deinem Versprechen!«, brüllte er zurück, zornig darüber, dass dieses Mädchen einen solchen Aufruhr in ihm auszulösen vermochte.
Mit verdächtig glitzernden Augen sagte sie: »Du kannst mich nich entbinden – ich hab’s ja nich
dir
versprochen.« Dann lief sie hastig
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