Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)
heimgekommen, um Rekruten zu sammeln; doch – dem Himmel sei Dank! – letzte Nacht sei er beraubt und ohne einen Cent vom Dampfboot ans Land gesetzt worden; er freue sich aber darüber, etwas Besseres hätte ihm gar nicht widerfahren können, denn er sei dadurch zu einem anderen Menschen geworden, und zum erstenmal in seinem Leben fühle er sich glücklich. Arm, wie er sei, wolle er sich jetzt zurück zum Indischen Ozean durchschlagen und den Rest seines Lebens dazu verwenden, die Piraten auf den wahren Weg zu führen; er könne es besser als irgendein anderer, da er mit allen Piratenmannschaften jenes Ozeans bekannt sei. Wohl würde er lange Zeit brauchen, ohne Geld dorthin zu kommen, aber hin komme er sicher, und jedesmal, wenn er einen Piraten bekehrt hätte, würde er ihm sagen: »Mir danke nicht, mir gebührt die Ehre nicht; nein, wohl aber den guten Menschen der Pokville-Buß-Versammlung, den wahren Brüdern und Wohltätern der Menschheit – und dem teuren Prediger dort, dem treuesten Freund, den ein Pirat je hatte!«
Hier brach der König in Tränen aus, und ebenso alle anderen. Dann rief einer: »Sammelt für ihn!« Ein halbes Dutzend sprangen auf und schickten sich dazu an, aber jemand rief: »Laßt ihn selbst den Hut herumreichen!« Alle riefen es nach, der Prediger auch.
So schritt der König durch die Massen, indem er den Hut herumreichte und sich die Augen wischte, das Volk segnend und preisend und ihm dankend, weil es mit den Piraten in der Ferne es so gut meine; und sie luden ihn ein, eine Woche zu bleiben; jeder wollte sich's zur Ehre anrechnen, ihn in seinem Hause zu beherbergen. Doch er sagte, da das der letzte Tag der Versammlung sei, habe er hier nichts mehr zu tun, und er habe Eile, zum Indischen Ozean zurückzukehren, um schnell an seine Arbeit bei den Piraten zu gehen.
Als er wieder auf dem Floß ankam und das Geld zählte, fand er, daß er siebenundachtzig Dollar und fünfundsiebzig Cents gesammelt hatte. Außerdem hatte er einen Dreigallonenkrug Branntwein erwischt, den er unter einem Wagen sah, als wir durch den Wald zurückgingen. Da sagte der König, daß er im Missionsgeschäft kaum jemals einen besseren Tag gehabt habe als heute. »Heiden«, rief er, »sind doch nichts im Vergleich mit Piraten, wenn's gilt, aus einer Bußversammlung Kapital zu schlagen.«
Indessen war der Herzog auch nicht faul gewesen und freute sich schon im stillen, erzählen zu können, was er eingeheimst. Als aber der König kam und loslegte, da fühlte er sich doch etwas klein. In der Druckerei hatte er zuerst zwei kleine Aufträge für ein paar Farmer ausgeführt – Rechnungsformulare – und dafür vier Dollar eingesteckt. Dann hatte er für zehn Dollar Zeitungsanzeigen angenommen, was er gegen augenblickliche Vorausbezahlung um vier Dollar tat. Der Preis der Zeitung war zwei Dollar pro Jahr, doch hatte er drei Abonnements, jedes zu einem halben Dollar, verkauft, unter der Bedingung augenblicklicher Vorausbezahlung. Sie wollten in Brennholz und Zwiebeln bezahlen, aber er sagte ihnen, er hätte das Geschäft eben erstanden und die Preise so niedrig wie möglich herabgesetzt, um auf Barzahlung bestehen zu können. Außerdem hat er ein Gedichtchen in Typen gesetzt; das hatte er aus seinem eigenen Kopf gemacht. Drei Verse, zart und melancholisch. Es hieß: ›Ja, kalte Welt, erdrück dies brechend' Herz usw.‹ – er hatte es fix und fertig dagelassen zum Druck in der nächsten Nummer der Zeitung und nichts dafür gerechnet. So hatte er denn im ganzen neun und einen halben Dollar eingenommen und meinte, er hätte eine gute Tagesarbeit dafür geleistet.
Dann zeigte er uns noch eine kleine Arbeit, die er besorgt, doch nicht berechnet habe, denn sie sei für uns. Es war das Bild eines entlaufenen Negers, der ein Bündel auf einem Stock über der Schulter trug, und darunter stand geschrieben: ›200 Dollar Belohnung.‹ Das übrige auf dem Zettel gab eine genaue Beschreibung von Jim und besagte, dieser sei von der St. Jakobs-Plantage vierzig Meilen unterhalb New Orleans letzten Winter – wahrscheinlich nordwärts – entlaufen, und wer ihn fange und wiederbringe, würde die Belohnung und die Unkosten bezahlt erhalten.
»Von jetzt an«, sagte der Herzog, »können wir auch am Tage drauflosfahren. Wenn wir jemand kommen sehen, binden wir Jims Hände und Füße, legen ihn ins Zelt, verweisen auf die Anzeige, sagen, wir hätten ihn gefangen, seien zu arm, mit dem Dampfboot zu fahren, hätten von Freunden dies
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