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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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sieht auf den ersten Blick, daß er die Briefe auch nicht geschrieben hat. Sein Gekritzel ist überhaupt keine Handschrift zu nennen. Hier hab' ich noch einige Briefe von...«
    Da rief der alte Herr: »Erlauben Sie mir gefälligst eine kleine Erklärung. Niemand außer meinem Bruder hier kann meine Handschrift lesen – darum kopiert er für mich. Sie haben in den Briefen seine Handschrift, nicht meine.«
    »Na«, rief der Anwalt, »wo soll das hinaus? Ich habe einige von Williams Briefen; wenn Sie ihn ein paar Zeilen schreiben lassen, könnten wir ja vergl...«
    »Er kann nicht mit der linken Hand schreiben«, entgegnete der alte Herr. »Könnte er die rechte Hand gebrauchen, so würden Sie gleich sehen, daß er seine eigenen und meine Briefe geschrieben hat. Vergleichen Sie die gefälligst, sie sind von derselben Hand.«
    Der Anwalt tat es und sagte: »Das scheint so – jedenfalls erkenne ich jetzt eine viel größere Ähnlichkeit als vorher. Ei, ei! Ich hatte schon gedacht, ich sei auf der rechten Spur; nun ist's wieder nichts. Soviel ist jedoch sicher bewiesen, daß diese zwei – er deutete auf König und Herzog – keine Wilkse sind.«
    Selbst jetzt gab der bocksbeinige alte Narr, der König, nicht klein bei und sagte, es sei kein reeller Beweis. Sein Bruder William sei ein arger Spaßmacher und hätte eben einen seiner Spaße losgelassen und seine Handschrift verstellt. Er hätt' es ihm gleich angesehen. So plapperte der Kerl fort, bis er anfing, selbst an das zu glauben, was er sagte. Doch bald unterbrach ihn der alte Herr mit den Worten: »Mir ist was eingefallen. Ist irgend jemand unter den Anwesenden, der beim Aufbahren der Leiche meines Bruders, des verstorbenen Peter Wilks, zugegen war?«
    »Ja«, rief jemand, »ich und Abel Turner besorgten das. Wir sind beide hier.«
    Dann wandte sich der alte Herr zum König und sagte: »Vielleicht weiß der Herr dann, was auf seiner Brust tätowiert war?«
    Da mußte der König sich rasch zusammennehmen, sonst wäre er zusammengestürzt wie ein Stück Flußufer, das die Strömung untergraben hat; es kam so plötzlich und unerwartet und war so recht eine Frage, die einen, der nicht darauf vorbereitet war, ganz aus der Fassung zu bringen vermochte. Wie konnte er wissen, was auf der Leiche tätowiert war?! Er erblaßte ein wenig, das konnte er nicht vermeiden. Es wurde sehr still, und alle beugten sich vor und starrten ihn an. Ich dachte, nun würde er den ungleichen Kampf aufgeben – was konnte er auch noch sagen? Aber nein; so unglaublich es scheint: Er blieb fest. Wahrscheinlich wollte er versuchen, die Leute müde zu machen, bis sich die Menge verkleinerte und er und der Herzog vielleicht Gelegenheit fänden zu entschlüpfen. Er verzog seinen Mund zum Lächeln und sagte: »Hm! Eine große Frage, nicht wahr? Ja, mein Herr, allerdings weiß ich, was auf seiner Brust tätowiert ist. Es ist ein kleiner, dünner, blauer Pfeil, den man kaum bemerkt, wenn man nicht scharf hinsieht.«
    Solch ein Ausbund grenzenloser Frechheit war mir doch noch nie vorgekommen.
    Der alte Herr wandte sich rasch zu Abel Turner und dessen Kameraden, und seine Augen glänzten so, als ob er den König jetzt festgenagelt hätte; er sagte: »Da haben Sie es gehört! War solch ein Zeichen auf Peter Wilks' Brust?«
    »Wir haben kein solches Zeichen bemerkt.«
    »Gut!« sagte der alte Herr. »Was ihr auf seiner Brust fandet, war ein kleines mattes P und ein B (der Anfangsbuchstabe eines Namens, den er schon jung aufgab) und ein W. Diese drei Buchstaben sind mit Strichen verbunden so: P-B-W « – er zeichnete sie auf ein Stück Papier. »Habt ihr davon nichts bemerkt?«
    Beide antworteten: »Nein, wir sahen überhaupt gar keine Zeichen.«
    Nun ging der Skandal los, und alles rief: »Die ganze Sippe sind Betrüger« – »Spießruten laufen« – »In den Fluß tauchen« – »Ersäuft die Bande.«
    Da sprang der Anwalt auf den Tisch und schrie: »Meine Herren, meine Her-r-ren! Ein Wort, nur ein Wort, ich bitte. Lassen Sie uns den Sarg ausgraben und selbst nachsehen.«
    Das wirkte.
    »Hurra!« rief das Volk, das nun auseinanderging; aber Arzt und Anwalt riefen: »Halt, halt, ergreift erst die vier Männer und den Jungen und schleppt sie mit.«
    »Jawohl, jawohl«, riefen alle, »und finden wir die Zeichen nicht, so hängen wir die ganze Sippschaft.«
    Jetzt wurde mir bange, doch was half's? Sie griffen uns und marschierten mit uns direkt zum Kirchhof, der anderthalb Meilen stromab lag. Die ganze

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