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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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Kleinschmidt morgens aus dem Schlafzimmer ihrer Erzeugerin kommt, sie irritieren würde, und sie «respektieren» oder, noch schlimmer, «tolerieren» ihn, «weil er Mutter guttut». Hauptsache Frieden. Ich will nicht irgendeiner Mutter guttun: Ich will der Mutter meiner Kinder wehtun und rumschnauzen und muffeln und trotzen und es ganz genau wissen. Ich will auch, dass die Mutter meiner Kinder ihren ganzen ätzenden Spott über michgießt und mich zum Rasen bringt oder bockt und wütet und Türen knallt. Ich will Fotos mit «Weißt du noch   …?» beseufzen. Keine Familienalben wie historische Urkunden hinten im Schrank, und alle zehn Jahre ruht ein fremder, verständnisloser Blick darauf. «Ich wusste gar nicht, dass du mal einen Bart hattest! Wer ist denn die Frau neben deiner Frau?» Ich will jemanden, den ich von Anfang an kenne und nicht verstehe bis zum Schluss. Ich will nicht weg von der Frau, mit der ich im Zeugungsfuror vom Sofa gerutscht bin, irgendwo zwischen den Couchtisch und die Polster, während sie mir atemlos ins Ohr stammelte: «Los, mach mir ein Baby!» Ich will nicht fort von der Frau, die danach immer aufging wie ein Hefeteig, Willendorfer Venus, schwere Brüste, praller Bauch, und der ich die blut- und käseverschmierten, nach Atem schnaubenden Kinder auf den geschundenen Leib gelegt habe, ihre Haare vom Schweiß an die Stirn geklebt, nur zwei Minuten nachdem sie im Kreißsaal bis zum Herzerweichen gebarmt hatte, sie könne nicht mehr, und das solle alles aufhören und weggehen, und ich solle doch was tun. Ich will eine Frau lieben, die mir wortlos einen Eimer zum Kotzen hinstellt, wenn ich besoffen ins Bett stürze. Eine Frau zum Zeckenentdecken und Rausdrehen an Stellen, an die ich selbst nicht komme, die mir die Zehennägel schneidet, und zwar nicht «aus Liebe», sondern nur, weil sie «es nicht mehr mit ansehen kann». Ich will einen Hintern fassen, denn ich schon kannte, als er noch bebte und nicht wackelte. Ich will einfach dabei gewesen sein.
    Ich will mich nicht trennen. Ich will nicht, dass meine Frau mit einem anderen Mann aus dem Auto steigt, einem tollen Auto womöglich. Metallic blau, 350   StundenkilometerSpitze, 2, 6-Liter -Maschine, beschleunigt von null auf hundert in sechs Sekunden. Ich hab immer verloren, wenn wir im Bus Autokarten spielten. War irgendwie nicht meins. Oder war das ein Zeichen?

12
    Drei Tage lang hatte ich Wut. Kochende Wut. Was für eine kosmische Energie! Es gibt nicht vieles, was wütend besser geht. Aber Eisentraining zählt definitiv dazu. Zum ersten Mal, seit ich Mitglied im
Fitness- und Kampfsportstudio Niekisch/​Zentrum für Realistische Selbstverteidigung
geworden war, hatte ich das Gefühl, dass sich wirklich etwas an mir veränderte. Ich fühlte mich mental den Brüll- und Stöhnkloppern wie Meikel, Matze und Rodscher viel näher. Ich machte fünfzig Crunches und hatte begriffen, dass man nicht wachsen kann, ohne vor Schmerz zu schreien. Ich drückte im Bankdrücken siebzig Kilogramm und hasste mich durch die letzten Wiederholungen, bis ich unfähig war, die Hantel weiter hoch zu drücken und eine quälende Viertelminute kurz vor der Halterung mit der Aussicht kämpfte, von ihr erschlagen zu werden, bis Matze meine Keuch-, Wimmer-, Pressgeräusche endlich gedeutet hatte und vorbeikam, um die Hantel mit drei Fingern (es war etwa die Hälfte seines Aufwärmgewichtes) zu nehmen und abzulegen. Meine Schultern dehnten sich gegen das T-Shirt , als ich mich aufsetzte und einen Dank schnaufte. Ich freute mich still. Nichts auf dieser Welt funktioniert so vorhersehbar wie Muskelwachstum. Muskeln tun nicht nur so. Muskeln überlegenes sich nicht mittendrin anders. Muskeln wachsen, wenn man sie über einen bestimmten Punkt hinaus beansprucht. Das ist alles.
    «Hi», sagte es neben mir. Auf der Schrägbank saß ein Typ, der sich von dem Türsteher-Trio dadurch unterschied, dass er irgendwie konzentrierter, weniger grobmotorisch, überhaupt gegenwärtiger wirkte. Er guckte freundschaftlich wie jemand, dessen Freundschaft nicht zu genießen keine gute Sache ist. «Ich bin Sascha Ramon. Mir gehört der Laden hier. Grüß dich!» Er schob mir eine geballte Faust hin, und ich pochte vorsichtig mit meiner dagegen, wie ich es bei den anderen gesehen hatte. Dann bot er mir noch ein paar andere Griffe aus dem Harte-Kerle-Begrüßungsritual, aber da ich nicht mehr wusste, wie die gingen, winkte ich nur. Er griff in mein Winken und befühlte meinen Bizeps. «Nicht

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