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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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Instanz. Jemand, den man noch fragt, wenn man keinen mehr fragen möchte, jemand, den man noch küssen möchte, wenn man keinen mehr küssen möchte   …» Dorit lehnte ihren Kopf ein bisschen gegen meinen und sagte versonnen: «Du bist lieb, Max.» Und dann kam sie herum und küsste mich. Langsam kam sie herum, aber ohne Zögern. Es war sehr gut, auch wenn sie anders schmeckte, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich wollte sie anfassen, aber sie hielt meine Hände fest. Dann strich sie mir über den Kopf, was ich damals hasste und auch heute noch verabscheue, und ging mit einem warmen, aber nicht zu warmen «Danke für die Zigarette!» wieder hoch. Zu Martin.
    Ich war die zweite Wahl. Sie würde mich vielleicht wollen, das war jetzt irgendwie klar, aber erst, wenn sie mit Martin fertig war, quasi ausgelitten hatte. Ich war der Mann nach Martin. Ich musste nichts anderes tun als warten.
    «Klar, Stress haben wir schon, aber nein, nein, aus ist es nicht», sagte Martin ein paar Monate später am Telefon, während ich mit dem Hörer am Ohr die Wohnungstür öffnete, um dann vor meinem überraschenden Besucher rückwärts durch den Flur in das Zimmer meiner Einraumwohnung zu stolpern, «aber du weißt ja, wie sie ist. Sie nimmt immer alles so furchtbar genau. Ich hab ihren Geburtstag nicht wirklich vergessen, ich wollte am Abend mit ihr weggehen, aber da war sie schon eingeschnappt. Ich habe sie angebrüllt, dass sie jetzt mal locker bleiben soll, aber sie hat überhaupt nicht mit sich reden lassen.»
    «Verstehe», sagte ich starr und setzte mich auf den Bettrand, weil mir etwas flau war.
    «Weißt du, Max, mir wächst die Arbeit über den Kopf, ich habe eine Betriebsprüfung am Laufen, dazu die Bierkampagne, und dann macht sie so einen Terz. Wegen nix. Fängt an, Koffer zu packen und so einen Scheiß. Ich hab sie erst mal in ihr Zimmer eingeschlossen und hab gesagt: ‹Jetzt beruhigste dich mal wieder.› War nix Aggressives oder so. Nur so auszeitmäßig   …»
    «Klar doch», sagte ich und fiel rücklings aufs Bett.
    «Erst hattse rumgetobt, aber in der Nacht gegen zwei war sie dann halbwegs wieder ansprechbar. Ich wollte ja noch feiern, mit Sekt und Stößchen und und und, aber sie   …, nö und so. Ist halt ’ne Empfindliche. Aber wie gesagt, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Jetzt isse erst mal Brötchen holen. Machen wir ein bisschen Lachsfrühstück, und dann sehn wir weiter   …»
    «Martin, ich muss jetzt auflegen», sagte ich an die Decke glotzend, drückte ohne ein weiteres Wort die rote Taste und legte das Telefon auf den Nachtschrank. Dorits Haar schob sich über meine Brust, aber ich wollte mich nochmal hochstützen.
    «Lass mich erst gucken, ob wirklich aufgelegt ist   … nee, so viel Zeit muss   … das ist doch jetzt kein Akt, wenn ich schnell gucke   …, was, wenn er alles mit anhört?»
    Dann fraß Dorit mein Gesicht.
     
    Als ich mich im Wohnzimmer hinlegen wollte, stellte ich fest, dass ich in der Wut ihr Bettzeug genommen hatte. Es roch nach
Cool Water Woman
. Das war sie wirklich. Ich wühlte mich schnaufend hinein. Nö, nö, nö. Ich geh nichtnochmal los. Ich fang nicht nochmal von vorn an. Nö. Ich will kein spätes Glück. Ich weiß, was das ist. Ich kenne ein paar von denen. Späte Paare, agenturverkuppelt; versonnen spazieren sie an Wochenenden durch die Schlösser und Gärten, machen Rast in Cafés, sie nimmt Cappuccino, er auch mal ein Bier. Sein Bauch stört sie «nicht wirklich», solange er nur nett zu ihr ist. Halten sich sanft-innig an den Händen wie Überlebende einer Katastrophe. Sensibilisierte. Fortan ist jeder laue Luftzug, jedes Blättertrudeln Ereignis. Nacheheliche Geistwesen, die alles abgelegt haben. Wirken erleichtert wie Amputierte. Alle vertrackten Anziehungskräfte, alles rätselhaft Physische, das frühere Bindungen so prekär und schleudergefährlich machte – vorbei. Man achtet auf die rechte Distanz. Ganz bewusst. Gewährt einander Freiheiten. Niemals mehr jemand wieder so nahe kommen lassen, dass er «verletzen» könnte. Kleine Wohnung, die Alimente zwicken, Essplatz mit Barhockern, sie wollte es schon immer so, er kauft ihr oft Blumen und lächelt mild. Jedes zweite Wochenende kommt sein Kind zum Umgang, maulfaule Vorpubertät, Kino oder Rummel, abends ein Würfelspiel, dafür staubt in der Woche ein extra Zimmer vor sich hin, und ihre sind ja sowieso schon groß. Sie sprechen ihn mit dem Vornamen an, weil die Vorstellung, dass ein Herr

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