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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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Sie drehte den Zeigefinger anmutig nach oben, schwanenflügelte und kreiste mit der Hüfte. «Du hast geweint in der Umkleide, stimmt’s?»
    Ich guckte ein bisschen beleidigt aus dem Fenster. Vielleicht hatte sie ja mein Leben gerettet, aber deswegen musste ich es nun doch nicht gleich vor ihr ausbreiten. «Ja. Mir war mal kurz so.»
    «Wusste ich. Wusste ich schon vorher. Du bist hier oben abgeschnitten.» Sie hielt die flache Hand quer vor ihren Hals. «Kopf   – Körper, getrennt. Wenn man das verbindet, gibt es erst mal ein großes Wiedersehen. Und da fließen üppig Tränen. Nach so vielen Jahren.»
    Ich hatte eine kommunistische Attacke. Vermögen sollte nicht so stark konzentriert sein. Jung und schön und klug und anmutig – und was weiß ich noch. Wahrscheinlich spielte sie nebenbei phantastisch Klavier und schrieb E-Mails in allen europäischen Sprachen. «Wie geht es weiter, Frau Doktor?»
    «Jetzt wird alles gut. Ich habe dir die Übungen gezeigt, und morgen zeige ich dir noch ein paar andere. Die musst du jetzt immer fleißig machen. Tu, was du willst, aber achte auf deine Beckenstellung.»
    «Siehst du, und da fängt das Problem doch schon an. Ich weiß nämlich nicht, was ich will.»
    «Weißt du doch!»
    «Nein, weiß ich nicht. Will ich ein Haus, mehr Geld, Sex, Macht, die Weltherrschaft?»
    «Ach, das sind doch nur Gimmicks. Das gibt es beim Wollen doch dazu!»
    «Was will ich?»
    «Warum bist du hier? Es gibt doch genug andere Fitness-Studios.»
    «Ich bin hier reingekommen, weil ich anderswo rausmusste, wenn du es genau wissen willst.»
    «Wo raus?»
    «Aus der Wirklichkeit.»
    «Ist das hier nicht wirklich?»
    «Nicht wirklich», sagte ich, und Nancy lachte. «Die Wirklichkeiteines Mannes von zweiundvierzig Jahren kann schon ganz schön verbraucht sein. Es ist ewig dasselbe, im Job, zu Hause und so weiter. Außerdem wollte ich mich irgendwie sportlich verausgaben, weil mir auf den Sack ging, mir bei anderen Frauen ständig vorzustellen, wie es mit denen sein könnte.»
    Nancy zeigte mit einer kurzen Bewegung auf sich. Ich wurde knallrot. «Na ja, nein, bei dir ist das   …», stotterte ich, «anders.»
    «Distanzmanagement. Kann ich, seit ich dreizehn bin», sagte Nancy und ließ zur Probe die Mundwinkel fallen. Die Schneekönigin. Ich glaubte ihr sofort. Es war ein schwieriges Thema, und ich war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, mich zu erklären, oder frustriert zu schweigen. Nancy sah mich aber an, als hätte ich noch nicht zu Ende gesprochen.
    «Ich hatte einfach Schwierigkeiten, ich hatte meinen Job verloren, weil sie mit mir durchgegangen sind, ich hatte schon immer so Flashs, aber diesmal habe ich tatsächlich einer Frau ins Haar gefasst, also, nicht irgendeiner Frau irgendwo, sondern einer Linksradikalen während eines Interviews. Sie fand das nicht so toll, und wir haben uns geprügelt und so   …»
    «Du hast einer Frau ins Haar gefasst?»
    «Ja, peinlich, nicht?»
    «Schönes Haar?»
    «Wunderschönes Haar!»
    «Ich weiß nicht, was du dich hier windest. Du hast doch ein tolles Ziel gehabt. Du wolltest das wunderschöne Haar einer Frau berühren!»
    «Aber Nancy, das war nur so eine Regung   …»
    «Das war nicht nur so eine Regung. Das war die Regung. Regt sich denn eigentlich sonst noch was bei dir?»
    «Ja, aber ich kann doch dieser Regung nicht einfach nachgeben. Das ist doch irre! Ich komm in die Klapper, wenn ich Frauen einfach so ins Haar fasse.»
    «Wenn du Hunger hast, gibst du dann dem Hunger nach?»
    «Dem Hunger nachgeben? Klingt eher doof.»
    «Du gibst dem Hunger nicht nach, du machst dich auf, deinen Hunger zu stillen.»
    Ich fing an zu verstehen, und es machte mich stumm.
    «Pass auf, Max», sagte Nancy, lehnte sich vor und stützte ihren Kopf in die Hände, «ich mache dir einen Vorschlag. Ich bringe dein Skelett in Schwung, damit du endlich mal authentisch daherkommst, und du sorgst dich ernsthaft um deine drei nächsten Regungen.»
    Ich schwieg und dachte nach.
    «Max, was sind deine drei nächsten Regungen? Ohne Nachdenken!»
    «Gut», sagte ich etwas trocken im Hals, «ich könnte mir vorstellen   …»
    «Stopp!», fuhr Nancy dazwischen, «Einfach sagen, einfach sabbern.»
    «Rikki Schroedels tolle Haare anfassen, den fiesen Norbert Kruschik demütigen und von meiner Frau bewundert werden.»
    Das hatte sich so plump angehört, als wäre ich fett, sommersprossig und dreizehn Jahre alt.
    «Deal!», sagte Nancy und turnte über den Tresen. «Mach

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