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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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was er dann gleich fühlen würde. Sehr lästig. Fühlen macht ja keinen Spaß, wenn man immer schon vorab informiert wird. Bei mir ist es umgekehrt. Ich kann fühlen, dass ich gleich was Tolles denken werde. Und tatsächlich: Mein Herz kobolzte plötzlich los. Die Lungenflügel patschten kurz gegenden Brustkasten. Die Neuronen knisterten gespannt und feuerten los. Und dann dachte ich Folgendes:
    Wenn Werner Rosstäuscher in das Amt des Ministerpräsidenten gestrebt hatte, weil er es liebte, ein Politiker zu sein, weil er entzückt war, Eide und Grußworte zu sprechen, weil er sich danach sehnte, Menschen mit «Hoffnung» zu speisen, kurz, weil es ihm ein Bedürfnis war, dann durfte ich auch. Wenn der heiß drauf war, Hände zu schütteln, dann durfte ich auch in Haare fassen. Das war doch dasselbe. Ich musste es nur – wie Rosstäuscher – ausreichend legitimieren.
    Ich sollte aufhören, meine kleinen Begierden anzusehen, als wären es Drogenhändler an der Ecke. Ich sollte sie ernst nehmen. Ich sollte der Streetworker meiner Begierden werden. Ja, ich war fasziniert von Rikkis Haar, weiß der Teufel, warum. Unter so etwas zu leiden war eigentlich idiotisch. Wernher von Braun hat ja auch nicht still an seinem Wunsch gelitten, Raketen ins All zu schießen, sondern er hat dran gearbeitet.
    Ein Auto hupte, und ich fuhr erschrocken herum. Ein Nachbar. Fahrig grüßte ich zurück. Mascha winkte auch und rutschte beim Winken vom Rasenkantenstein. «Zählt nicht», sagte sie, stieg wieder auf und balancierte konzentriert weiter bis zum Ende des Rasens. So entging Mascha, dass ihr Vater den nachbarschaftlichen Gruß zur Straße hin noch ein paarmal wiederholte, obwohl das Auto schon längst hinter der nächsten Kurve verschwunden war. Mit einem leisen «Wow!» und «Aber hallo!» drehte ich mich zurück und wieder ein. So locker hatte ich überhaupt noch nie gegrüßt. Wahnsinn!
     
    Mascha und ich rannten die Treppe hoch. Mascha trampelte mit kurzen Tritten über die Stufen und kreischte vor Vergnügen, als sie als Erste anschlug. Dorit machte auf, blieb in der Tür stehen und lachte ihr Kind an.
    «Na, ihr habt ja lange gebraucht. Ich dachte, ihr kommt gar nicht mehr.»
    Ich schlängelte mich geschmeidig an den beiden vorbei. Dorit blitzte mich kurz an.
    «Es ist schon wieder nach sechzehn Uhr», flüsterte sie scharf.
    «Wusstest du, dass unsere Tochter aus dem Schweinebammel in den Stand springen kann?», fragte ich Dorit leutselig. «Ohne Hände!» Mascha grinste ein stolzes Wunderkindgrinsen.
    «Guten Morgen, der Herr!», erwiderte Dorit ungerührt. «Das kann sie schon seit dem Frühjahr. So kriegst du die Entwicklung deiner Tochter mit!»
    Ich guckte Mascha an. «Stimmt das?»
    Mascha nickte ernst. Blondbezopfte Hilfsmutti. «So kriegst du meine Entwicklung mit, Papa!» Dorit fragte Mascha, ob sie ein Eis wolle, und sie verschwanden in der Küche. Ich ging betont gelöst hinterher. Nicht aufgeben. Ich war guter Dinge, und ich würde Dorit schon noch mit meiner Lebensfreude infizieren. Inkubationszeit eingerechnet. Dorit gab Mascha ein Eis und einen Teller dazu. «Gegessen wird aber im Sitzen und über dem Teller. Ich hab gerade sauber gemacht.»
    Ich stutzte.
    «Stopp mal. Die Küche war sauber.»
    «Sauber? Das Geschirr war weggeräumt, aber der Tisch war nicht abgewischt. In der Obstschale faulte eine Zitrone.Hier auf den Fliesen waren lauter Tapsen. Wenn es da unten nass ist, muss man auch mal selber gucken, dass man das nicht auch noch breit latscht.»
    Sie sah auf meine Füße. «Warum ziehst du eigentlich nicht die Hausschuhe mit der Filzsohle an. Mit denen passiert das nicht.»
    «Die sind mir zu leise. Da komme ich mir vor wie im Stummfilm.»
    «Aber ich habe sie dir extra dafür gekauft. Zur Bodenpflege.» Dorit fixierte mich eine Sekunde lang. Keine Reaktion. Die Ernennung zum Bodenpfleger erreichte mich im Stand der Gleichgültigkeit. Sie musste nachlegen. Mal sehen, ob mein kleiner Trotz sich nicht doch in eine größere Schlechtigkeit verwandeln ließ. «Außerdem waren sie ein Geschenk. Für dich.»
    Nicht übel. Ich fühlte mich gleich ein bisschen schuftig. Aber trotzdem: Sorry, Madam. Geschenk kann ja vieles sein. Bunt gestreifte Ballonhosen, Bartbinden, geblümte Badekappen, die man mit einer rosa Seidenschleife unter dem Kinn zusammenknoten muss. Frauen können einen komplett zum Trottel herunterschenken, wenn man nicht aufpasst. «Tut mir leid.»
    «Tut dir nicht leid. Dir ist es egal, wie die

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