Hüftkreisen mit Nancy
dir Gedanken, wie du dahin kommst.» Sie tigerte an meinem Rücken entlang und hauchte: «Wunderschöne Haare anfassen! Stell dir vor, wie sie durch deine Finger gleiten.»
«Ich liebe meine Frau», verteidigte ich mich rituell.
«Da sehe ich keinen Zusammenhang», flüsterte Nancy.
«Ich habe das Gefühl, dass mich das nicht … weiterbringt.»
«Es wird dich weiter bringen, als du denken kannst.»
«Vielleicht möchte ich doch lieber ein Haus bauen!»
«Haus bauen», hauchte Nancy mit doppelt so vielen Vokalen wie erforderlich, «das kann doch jeder Trottel! Aber die wunderschönen Haare einer fremden Frau berühren, einer Frau, die dich hasst, das kann nicht jeder. Vielleicht nur einer.»
«Aber ich will das loswerden! Ich will nicht mehr an Sex denken.»
«Max?»
«Nancy?»
«Es geht nicht dauernd nur um Sex. Sex ist zwanzigstes Jahrhundert.»
«Das hast du schon vom Sinn behauptet.»
«Stimmt. Sinn ist auch zwanzigstes Jahrhundert. Probier doch mal was anderes!»
13
Wenn Nancy recht hatte, was aufgrund ihrer Jugend nahezu unmöglich war, konnte ich mich natürlich abstrampeln ohne Ende. Verheddert in alte Begriffe. Mit Zielen, an denen nichts auf mich wartete. Pah, das alles hatte sie bestimmt beim Friseur aufgeschnappt. Irgendeine Sloterdijk-Vorher-nachher-Story in der
Hair Today
: «So bändigtDeutschlands haarigster Querdenker seine wilden Zotteln.» Unten ein kleiner Kasten: «Die fünf haarsträubendsten Gedanken des Kult-Philosophen/Zum Mitreden und Mitdenken».
Andererseits – vielleicht gab es so was ja doch. Ich ging leichten Schrittes zur Straßenbahn. Ein Mann, aus dessen Becken alle Angst ausgekippt war.
Mascha hing im Schweinebammel an der Stange im Klettergerüst. Ich stieg über die TÜ V-Gummigranulat -Palisaden, stapfte durch den ultralockeren TÜ V-Fallkies und hockte mich vor sie hin. Wir sahen uns in die Augen, bis unsere Hirne die Bilder aufrecht stellten.
«Du hast keinen Mund, Papa», sagte Mascha. «Aber einen Vollbart.»
«Du hast auch keinen Mund», antwortete ich. «Aber dein Bart ist blond und hat zwei Zöpfe.»
Mascha holte zweimal Schwung und ließ sich in den Stand fallen. So geht das nämlich. Ich meldete Mascha bei der moppeligen Kita-Erzieherin ab. Sie hielt Mascha die moppelige Kita-Erzieherinnen-Hand zum Abschied hin, und das Kind schüttelte artig drei Finger. Mehr passten nicht in Maschas Hand. Wir gingen nach Hause, Mascha balancierte auf den Rasenkantensteinen. «Franzi ist voll blöd», murrte sie.
«Wieso denn das nun wieder? Ich denke, ihr seid die dicksten Freundinnen.»
«Wir haben Gute Fee – Böse Fee gespielt. Aber dann haben wir die Charaktere getauscht. Und dann wollte sie nicht wieder zurücktauschen. Ich musste die ganze Zeit die Böse sein.»
«Kenn ich», sagte ich.
«Gar nicht. Kennst du nicht. Du spielst doch nicht Gute Fee – Böse Fee! Du erzählst Quatsch, Papa!», sagte Mascha böse. Mascha mochte Quatsch nicht.
Gut, dass Dorit nicht dabei war. Dorit wollte immer, dass das Kind alles versteht. Du kannst nicht einfach etwas so dahinsagen, mahnte meine innere Dorit, jetzt musst du es dem Kind auch erklären! Ich aber mochte Erklärungen nicht. Wenn ich es anders hätte sagen wollen, hätte ich es anders gesagt. Eine Erklärung verwandelte das Gesagte immer in etwas Dümmeres. Dieses ewige Erklären war schon bei Konrad schiefgegangen und hatte dazu geführt, dass er zu allem was zu sagen und von nichts eine Ahnung hatte. Aber natürlich brauchten die Guten die Bösen, und natürlich wollten sie nicht wieder zurücktauschen, wenn sie einmal die Guten waren.
«Wer ist der Mann da?», Mascha zeigte über die Straße.
Auf einem riesengroßen Wahlplakat sprach ein Mann voll schlagersängerhafter Zuversicht mit einer unscharfen Familie. Die Familie stand eng beieinander, Mutter und Vater hielten das Kind schützend in ihrer Mitte. Das Foto versuchte den Moment einzufangen, in dem die Spannung von den jungen Eltern wich und sie nun, da der Mann das Wort an sie richtete, wieder Mut und Hoffnung fassten, dass sich doch noch alles zum Guten wenden würde.
«Das ist Werner Rosstäuscher, der Ministerpräsident.»
Mascha, die schon fast alle Buchstaben kannte, versuchte laut den Untertitel zu lesen.
« Der G.... aaaaaa...... rrrrr …. aaa... nnnnn... tt. »
Es war nicht ganz nachzuvollziehen, was der in der überregionalen Presse übereinstimmend als «glücklos agierend» noch recht einfühlsam verunglimpfte, in
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