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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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Küche aussieht», behauptete Dorit, «die Alte wird es schon wegwischen, wenn sie nach Hause kommt.» Dorit lehnte an der Anrichte, knickte ihre Hüfte ein und sah mich mit einem «Tja, so sieht’s aus!»-Blick an. Eine schöne Frau. Ohne Frage. Geradezu klassisch. Teuer gewelltes Haar, weiße Bluse, blauer Rock, die prachtvollen Waden in seidenglänzenden Stay-ups (von denen ich nie etwas hatte, für Dorit schlossen sich Sex und Kleidung aus, wegen der Flecken). Aber Dorits Schönheitwar nur Teil eines größeren Schönheitsprojektes, zu dem leider auch die Küche gehörte. Das hatte ich nicht gewusst. Wir hatten über vieles gesprochen, als wir uns kennenlernten. Ob es nicht furchtbar traurig ist, dass Elefanten in Afrika nicht einfach an Altersschwäche sterben, sondern verhungern, weil sie nach fünfzig Jahren mit ihren abgenutzten Zähnen nichts mehr kauen können. Ob es nicht phantastisch ist, dass sich alle Menschen auf der Welt über sieben Ecken kennen. Ob es genetisch ist, wenn Lateinamerikaner eher an Alzheimer erkranken als Europäer, oder ob die was Falsches essen. Ob der Körper erogene Zonen verlagern kann, beispielsweise bei einer Knieverletzung. (Bei diesem Gespräch, das in einem Restaurant stattfand, war ich Dorit mit meinem bestrumpften Fuß unter dem Tisch zwischen die Schenkel gefahren, worauf sie frech gegrinst und dann meinen losen Schuh weggekickt hatte. Es war ein Test. Dorit würde niemals mit einem Mann ins Bett gehen, der sich aus der Fassung bringen ließ. Ich rief den Kellner und bat ihn freundlich, meinen Schuh zu suchen. Der Schuh müsse irgendwo in Richtung Ausgang unter den Tischen liegen. Zur besseren Orientierung gab ich ihm den anderen mit. Als ich Dorit danach wieder ansah, zuckte sie kurz mit den Lippen. Es wurde dann im weiteren Verlauf noch sehr schön   …) Kurz: Wir hatten über alles Mögliche geredet, aber nie darüber, was eine saubere Küche war. Die wirklich wichtigen Dinge werden ja nie geklärt, wenn es ans Lieben geht. Das ist das Geheimnis der Liebe. Hätte Dorit damals schon gesagt, dass eine Küche immer so aussehen müsse, als würde sie gleich für einen Katalog fotografiert, hätte ich doch   … Hätte ich wahrscheinlich nichts gesagt. Hätte ich wahrscheinlich gedacht, das gibt sich mit den Jahren. Aber es gibt sich nicht.
    Ich schluckte. Ich hatte so gute Laune. Ich wollte Rühreier mit Speck zum Abendbrot machen. Ich wollte, wenn die Kinder im Bett waren, mit meiner Frau Jack Bauer beim Foltern für Amerika zugucken. Ich wollte ihr im Bett den verspannten Rücken massieren, bis sie schnurrte, und ihr dann zeigen, wo meine Hüfte neuerdings herkam und wo sie hinging. Aber Dorit deutete meinen milden Blick anders, als eine Vorstufe zur Reue.
    «Baby, wenn du schon den ganzen Tag nichts machst, dann mach wenigstens die Küche.»
    Es würde schwerer werden als gedacht. Einem Mann folgt man anders als einem Nichtsnutz. Ich zog sie an mich heran, was sie mit einer unten nachgebenden wie oben widerstrebenden Bewegung geschehen ließ. Eine Bewegung, wie sie nur Frauen beherrschen, die schon viel an Männer herangezogen wurden. «Morgen», sagte ich, «morgen, Schatz! Morgen mache ich die Küche. Blitzeblank.»
    Mascha leckte oberbrav ihr Eis und schmulte aus dem Augenwinkel herüber, ob sich ihre Eltern gleich küssen würden. Kinder beobachten Zärtlichkeiten ihrer Eltern ja doch mit einem gewissen Argwohn, was seltsam ist, da sie sich schließlich denselben verdanken. Dorit zupfte an mir herum. «Stell dir einfach vor, meine Eltern kämen gleich zu Besuch.»
    Ich forschte in Dorits Blick nach Anzeichen von Ironie. Wollte sie jetzt tatsächlich unsere Wohnung in einem Zustand dauernder Besuchsfähigkeit vorhalten? Sollten wir diese Wohnung nicht bewohnen, sondern für die Schwiegereltern aufbewahren? Und warum zogen wir dann nicht gleich zu ihnen? «Das geht nicht», sagte ich. «So sauber, dass deine Eltern nichts sagen, kann man nicht sauber machen.»Dorits Vater führte bei Besuchen eine kleine Fleecedecke mit, die er wortlos über den Stuhl oder den Sessel breitete, bevor er sich setzte. Ich hatte das zunächst für Inkontinenzprophylaxe gehalten und lobte am Abend vor Dorit die schwiegerväterliche Umsicht. Doch Dorit belehrte mich, dass ihr Vater fürchtete, sich die Hose an unseren Möbeln dreckig zu machen. Erst danach war mir aufgefallen, dass er auch beim Abendbrot sein Messer unter dem Tisch mit einem extra präparierten Tuch abwischte.

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