Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
Vom Netzwerk:
Kurioserweise mochte ich ihn. Nicht direkt für das, was er da tat, sondern einfach dafür, dass er sein Ding durchzog.
    «Du weißt, was ich meine», sagte Dorit jetzt.
    Ich wusste, was sie meinte. Sie setzte die Standards. Unsere Familie war eigentlich ihre Familie. Meine Sauberkeit war eine Sauberkeit zweiten Ranges. Meine Sauberkeit konnte ihrer Sauberkeit nicht das Wasser reichen, nicht mal das Spülwasser. Es war eine Hilfssauberkeit, irgendwo knapp über der Seuchenschwelle.
    «Dorit», sagte ich und strich mit meinen Händen um ihre Hüften, «Manchmal magst du es aber auch, wenn ich schmutzig bin.»
    Dorit schickte einen Blick zum Himmel und wurde streng. «Bitte, das Kind.»
    Das Kind schmulte nicht mehr, sondern leckte langsam und geräuschlos Eis im hochkonzentrierten Versuch, das elterliche Ferngespräch abzuhören.
    «Ich dachte, wir machen uns heute mal einen schönen Abend! Ganz entspannt. Nur du und ich», warb ich.
    «Max», murrte Dorit, «das geht so nicht.»
    «Spielzeit, Kinderzimmer, Selbstbeschäftigung!», ordnete ich Mascha an, die mit der leeren Waffel nur noch sotat, als wenn sie ein Eis zu lecken hätte. Das Kind schlurfte beleidigt davon. Dorit begleitete Mascha schulterklopfend, schloss hinter ihr die Küchentür und drehte sich um. «Erstens: Mir ist nicht nach Entspannen, wenn die Wohnung so aussieht, du kannst also eine Menge dafür tun, dass ich entspannt bin.»
    «Wenn das so ist, mach ich heute noch sauber», sagte ich bereitwillig.
    «Und das ist das Zweite», sprach Dorit weiter, «ich mag es nicht, wenn du so   … durchsichtig bist. Ich habe dann immer das Gefühl, du meinst gar nicht mich. Ich denke dann immer, dir geht es nur um egoistischen Sex.»
    «Das ist schwer zu trennen. Es geht irgendwie ineinander über. Erst meine ich ja dich und dann nochmal dich, und dann meine ich dich so lange, bis es plötzlich mich meint.»
    «Versuch dich doch mal zu fragen, wie es mir geht, bevor du deine schönen Abende planst. Versuch doch mal, dich in mich einzufühlen.»
    Ein leichter Frost überzog mich. Darüber war schlecht mit mir zu sprechen. Ich war ein Einfühlungsopfer. Leute wie Kruschik, die sich ohne meine Erlaubnis in mich eingefühlt hatten, waren schuld daran, dass ich seit Wochen ohne Job war. Einfühlungsbeauftragte wie Siegrun Wedemeyer waren gekommen, um zu prüfen, ob meine Gefühle auf dem aktuellen Stand der gesellschaftlichen Diskussion waren. Wer weiß, vielleicht würden demnächst Polizisten mit einem Einfühlungsbeschluss vor meiner Tür stehen! ‹Tut uns leid›, würden sie sagen, ‹wir müssen hier alles durchfühlen.› Ab und zu würden sie was total Peinliches hochheben und mir zeigen. ‹Sind das hier Ihre Gefühle?›
    ‹Um Gottes willen›, würde ich sagen, ‹sehe ich aus, alswenn ich solche Gefühle hätte? Ich muss doch sehr bitten.› Ich verschränkte die Arme vor der Brust. «Ich soll die Küche mit deinen Augen sehen?»
    «Ja, zum Beispiel.»
    «Warum siehst du die Küche nicht mit meinen Augen? Da wär’ sie immer sauber.»
    «Duuuuu willst doch was von mir.»
    Das war ja hochinteressant. Es bestand ein Interessengefälle in unserer Ehe. Ich wollte also mehr von ihr als sie von mir. Warum? Warum wollte sie nicht mehr von mir? Warum war ich nicht ihr Ein und Alles? War ich es je gewesen? Plötzlich begriff ich, dass ich mich hier umsonst abstrampelte.
    Dorit nahm Maschas Teller vom Tisch und schob mich, der ich vor dem Geschirrspüler stand, sanft beiseite. Sie berührte meinen Arm, und ich spannte den Bizeps an. Dorit lächelte, aber es war nur ein mildes, matt amüsiertes Lächeln, nicht dieses Lächeln von unten her, das Frauen in der Liebesfrühe lächeln, die Vorfreude, die Ermunterung.
     
    Für Freitagabend hatten wir Freunde eingeladen. Ich bin ein guter Koch. Etwas, was Dorit, die selbst bei Eierkuchen lieber nochmal nachschlug, wirklich an mir schätzte. Ich verehre die Araber und die Asiaten mit ihren prunkvollen Würzen und Geschmäckern. Und ich liebe es, Menschen essen zu sehen, sie schaufeln, schlürfen, lecken und schmatzen zu sehen. Zu meinen Lieblingsgeschichten gehört die von Saira Shah, in der die afghanischstämmige Britin am Hindukusch unterwegs ist und bei einem Festessen entfernter Verwandter hockt. Es gibt Pilaw, und der Clanchef kaut auf einem fetten Stück Hammel herum, mummelt backenprall: «Dasmusst du probieren!», nimmt es wieder aus dem zahnlückigen Mund und reicht es ihr mit triefenden Fingern. Eine hohe

Weitere Kostenlose Bücher