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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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Ehre! Aber nur für Leute mit angepassten Hygienestandards. Ablehnen ist aber auch nicht wirklich drin. Die afghanische Gastfreundschaft geht doch stark vom Gastgeber aus, und ihr Entzug ist tödlich, wie Männer vieler Nationen bestätigen würden, wenn sie noch könnten. Die Geschichte geht gut aus, und Saira Shah überlebt es. War ja schließlich Verwandtenspeichel.
     
    Unsere Kinder wurden mit Wurst und Graubrotstulle abgespeist. Danach verschwand Konrad im Wohnzimmer, um sich den Freuden der Fernbedienungsherrschaft hinzugeben. Maschenka wurde ins Bettnest verbracht, um zwischen Unmengen von staubig müffelnden Kuscheltieren eine Sachgeschichte vorgelesen zu bekommen. Mascha mochte keine Märchen. Sie waren ihr zu ausgedacht. Lieber Baumbestimmungsbücher oder Anatomie für die Vorschule. Konrad dagegen kannte sich nur in Bewaffnungsgraden und Kampfstärken seiner Computerarmeen aus. Den Rest des abendländischen Wissens hielt er für Tand.
    Ich fabrizierte unterdessen eine vietnamesische Pho Ca, indem ich zunächst Ingwer, Knoblauch, Zimt, Sternanis und Korianderwurzeln zerstampfte und in einem großen Topf karamellisieren ließ. Duft und Dampf waberten in Wolken durch die Küche, und zierliche Vietnamesinnen tanzten darin in hochgeschlossenen taubenblauen Seidenkleidern züchtige Tänze, nur hin und wieder flog der Längsschlitz der Kleider auf und legte Schenkel von exquisiter Glätte frei. So ist das. Ich muss nicht reisen. Man schwitzt bloß, holt sich Parasiten, und die Betten sind schlecht. Ich kann meinganzes Leben in meinem Kopf verbringen. Schont auch das Klima.
    «Ich dachte, es steht schon alles auf dem Tisch», sagte es neben mir. Die Tänzerinnen in meinem Kopf rafften ihre Áo dàis und huschten kichernd ins Off. Dorit tippte auf ihre Uhr. Als würden unsere Freunde wieder gehen, wenn das Besteck falsch rum liegt. Dorit begann, Geschirr räumend, über die männliche Unfähigkeit zum Multitasking zu räsonieren. Frauen glauben ja, bloß weil sie es beim Stillen einmal geschafft haben, gleichzeitig fernzusehen, dass sie vielarmige Göttinnen seien. Na ja, sollen se doch. Dafür dürfen Männer eher sterben, und die Frauen müssen bis zum Schluss allein sauber machen und sich Konvinienzfutter im Radarofen warm strahlen. Apropos: Ich nahm die angeröstete Hühnerkarkasse aus dem Ofen, warf sie in den Topf und goss alles mit Geflügelfond auf.
    Es klingelte. Mechthild und Thoralf kamen. Mechthild war durch ein Zeitloch in die Gegenwart gefallen, entstammte aber tatsächlich den Goldenen Zwanzigern, schlank bis zur Auszehrung, in selbstgeschneiderte Futteralkleider eingepasst, immer einen Hauch zu entzückt, fehlte nur noch die lange Zigarettenspitze. Sie war Textilgestalterin. Filzen mit Kindern und so was. Thoralf war hauptsächlich behaart. Bergungstaucher der christlichen Seefahrt. Sie hatten sich im Kirchenchor kennengelernt. Sie Sopran, er Bass, ihr Blick fand seinen, und beim nächsten Einsatz dröhnte er sie an quer über den Altarraum, dass ihr ganz blümerant wurde. Die Ehe zwischen den beiden funktionierte schon Jahre durch diese rein animalische Anziehung. Sie war sein blondes Weibchen, er King Kong. Es war zum Neidischwerden, auch deshalb, weil sogar Dorit in Thoralf den unverquastenMacher anschwärmte, der schnell mal beim Austreten die Wasserspülung reparierte oder wortlos quietschende Türen aushob, ölte und wieder einhängte. Ein Mann, der immer sein Multitool am Gürtel hängen hatte. Sie hing an seinen Lippen, wenn er mit kargem maskulinem Grundwortschatz davon erzählte, wie er bei Windstärke acht irgendwelche Bohrinseln antüderte. «Wir also rein, erst die Kette, dann die Welle, ich gegen Ponton, aber mit Karacho   …» Einmal war sie sogar beim Baden mit großem Hallo zu ihm rübergekrault, als er nur mal so quer durch den See getaucht war, und hatte mich faden Brustschwimmer allein zurückgelassen.
    Mechthild verteilte Bussis und bewunderte heute Abend zum Ausgleich meine Fähigkeiten beim Möhrenschneiden. «Du bist ja ein richtiger Samurai!» Dorit reichte Thoralf eine schwer entkorkbare Weinflasche. Ich reklamierte meine häuslichen Ziehungsrechte, aber Dorit erklärte, das letzte Mal wäre mir beinahe eine Ader im Kopf geplatzt. Und eine nur halb entkorkte Flasche mit einem toten Mann daneben wäre ihr eins zu viel. Sie klatschte mir versöhnlich auf den Hintern. «Koch du mal!» Ihr Haar hatte sie frech mit zwei Essstäbchen hochgesteckt und wirkte aufgeräumt. Ich

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