Hüftkreisen mit Nancy
gelaufen wie gewünscht. Der Film war in der Vorabnahme verhackstückt worden und in einer extrem gekürzten Version auf der Messe gelaufen. Weitere Filme waren nicht in Planung.
Dorit stellte die Tasche auf den Tisch und packte ihr Handy aus, das schon drinnen mit einem absaufenden Dreiklang um Akkuladung gebettelt hatte, sowie einen neuen Krimi. Dorits Lektüre bestand eigentlich nur noch aus Krimis, und ich versuchte, mich zu erinnern, wann sie mit dem Krimilesen angefangen hatte. Vergeblich. Meine Erinnerung war peinlich beschränkt. Hunderte von Dorits Ankleideszenen konnte ich memorieren, aber ich konnte mich nicht erinnern, was sie früher gelesen hatte. Zu meiner Entschuldigung muss ich allerdings anfügen, dass die Art, wie Dorit den Slip hochzog, sich den Büstenhalter über die Brüste schob, ihren Pullover überstreifte, in den Rock stieg und den Reißverschluss mit Zack schloss, etwas vom Anlegen einer Rüstung hatte. Eine forsche Sachlichkeit, die ihren Griff ins Wäschefach wie den Griff in einen Waffenschrank aussehen ließ. Dorit war zu stolz, um einfach nur sexy zu sein. Wenn sie sexy war, dann vorsätzlich und mit Bedacht. Dass sie mich eines Tages zu lieben begann, konnte ich skurrilerweise daran erkennen, dass sie sich ohne Hintergedanken kleidete. Mal in einem Blumenkleid, dann wieder bloß mit Jeans und T-Shirt stieg sie aus dem Auto und schlenderte über die Straße. Lange her.
Jetzt schlenderte Dorit nicht mehr in Blumenkleidern über die Straße oder fuchtelte mir in der Eisbar beim Reden mit dem langen Eislöffel vor dem Gesicht herum. Jetzt las Dorit Krimis, tauschte Krimis mit ihren Freundinnen, fing den einen an, sobald sie den anderen ausgelesen hatte, und fieberte den Neuerscheinungen ihrer Lieblingsautoren entgegen. Bei Lichte besehen, gab es dafür nur drei Erklärungen.
Die erste Erklärung: Krimis reizten Dorits Klassenbestenehrgeiz, den Täter schon auf den ersten hundert Seiten herauszuknobeln,ihn sich selbst armzappelnd zu melden, sich selbst zu belobigen, Knickse nach links und nach rechts zu machen, wieder Platz zu nehmen und das Buch nur noch zur Bestätigung auszulesen.
Die zweite Erklärung: Dorit liebte Krimis, weil ihre Auffassung vom männlichen Wesen sowieso in der Figur des Serienkillers gipfelte. Für Dorit war ein Mann, der nach fünfzehn Jahren immer noch nicht von selbst seine alten Schlüpper in die Wäschebox räumte, nichts anderes als ein Wiederholungstäter – und der Schritt zum Gewohnheitsverbrecher, ja zum zwanghaften Blondinenmörder, nur eine Frage der Zeit.
Die dritte Erklärung: Dorit las Krimis, um sich wach und geistig fit zu halten, falls in ihrem eigenen Umfeld Indizien für eine Untat auftauchen sollten.
Und heute war es so weit.
Als Dorit wieder aus dem Schlafzimmer kam, wo sie den neu erstandenen Krimi auf den Nachtschrank gelegt hatte, nahm sie mich kühl ins Visier. «Du hast die Bettwäsche gewechselt. Warum hast du die Bettwäsche gewechselt?»
«Nur so.»
«Nur so?» Dorits Gesicht ließ erkennen, dass der Zufall in dieser Wohnung keine Heimstatt hatte.
«Ja, nur so», sagte ich, gereizt durch ihr Misstrauen. «Du wirst dich vielleicht wundern, dass auch ein Mann wie ich mal Dinge tut, die du nicht erwartest. Aber ich bin ein lebendes Wesen mit einer offenen Zukunft, ich habe vielleicht gerade keine Arbeit, aber deswegen bin ich noch lange kein hospitalisierender Anstaltsinsasse, der immer nur vom Fenster zum Tisch geht. Ja, ich habe die Bettwäsche gewechselt, weil mir so war. Es war eine unvorhersehbare Tat. EinAkt der Freiheit. Tut mir leid. So ist das jetzt mit mir. Gewöhne dich schon mal an das Ungewöhnliche. Es werden weitere Freitaten folgen.»
«Ich wollte keine Vorlesung in existentialistischer Philosophie. Ich wollte eine Erklärung.»
«Du bekommst keine Erklärung. Ich werde deinem Misstrauen nicht erlauben, sich auch noch an irgendwelchen Erklärungen auszutoben. Was wäre denn, wenn ich sagen würde, die Katze lag auf dem Bett und hat alles vollgehaart?»
«Ich würde sagen: ‹Das hat dich noch nie gestört.›»
«Siehst du. Es ist sinnlos. Du willst ja gar nicht glauben. Du bist verstockt. Das ist der Grund, warum Ungläubige in vielen Religionen geköpft werden! Weil es sinnlos ist, sich weiter mit ihnen zu befassen. Was wäre denn, wenn ich einfach beim Frühstück im Bett mit Marmelade gekleckert hätte …?»
Dorit wandte den Kopf ab, schwieg, nagte an ihrer Unterlippe, als überlege sie, ob dies
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