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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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schon der Zeitpunkt sei, mir mitzuteilen, was sie mir mitteilen wollte. Dann wandte sie sich mir wieder zu, mit schmalen Lippen, schmalen Augen. «Ich sag dir eins: Wenn du jemals in meiner Abwesenheit auf unserem Ehebett etwas anderes verkleckern solltest als Marmelade   …»
    «Du denkst, ich   …», empörte ich mich.
    Dorit kam näher und ging um mich herum. Sie kannte mich eben nicht. Ich würde so was nie tun oder   … zumindest was unterlegen!
    «Wer hat denn gerade getönt, es wird alles anders? Und ehrlich gesagt, das glaube ich dir sogar. Aber diese seltsamen Vorgänge auf Arbeit, dieser plötzliche Muckibudenehrgeiz,der Klamottenkauf – das ist doch irgendwie merkwürdig. Für wen ist das alles?»
    «Für dich! Kannst du dir nicht mehr vorstellen, dass etwas für dich ist?»
    «Verkauf mich nicht für blöd. Du hast dir denn Rücken epilieren lassen!»
    Hatte sie es also doch mitbekommen. Ohne Anfassen. So entfremdet war unsere Beziehung also offenbar doch nicht. Ich bestätigte ihr diese Maßnahme, fügte aber an, dass dies nur geschehen sei, um meine gestärkten Rückenmuskeln besser zur Geltung kommen zu lassen, quasi zur Trainingskontrolle. Aber Dorit tippte sich an die Stirn. «Trainingskontrolle. Von hinten. Lächerlich.»
    Das Türschloss klickte. Für eine Alltagsszene standen wir etwas zu dynamisch in der Diele. Konrad kam. Völlig erschöpft von der andauernden Tatsache seiner Pubertät. Fragte müde nach unserem Befinden. Wir wickelten schnell die Standards ab. Alles in Ordnung. Hausaufgaben waren keine. Wie immer. Wahrscheinlich sparte Konrad die Hausaufgaben für das nächste Jahr, wenn er die Klasse sowieso würde wiederholen müssen. Dorit klackte mit den Absätzen und ging schnurstracks in die Küche. Ich folgte ihr und flüsterte sie erbost von der Seite an: «Soll ich also ein alter, fetter, haariger Sack sein, nur damit du dir keine Sorgen machen musst? Ist es das, was ihr Frauen von einer guten Ehe erwartet?»
    Dorit machte nur «ach, ach, ach!». Dann kam Konrad, und wir schwiegen, so normal es ging. Konrad machte sich zwei Salami-Käse-Brötchen, aß noch einen Joghurt und eine Handvoll Gummibärchen und spülte sich mit einem halben Liter Eistee die Gurgel. Verschwand wieder, hörte Radio undschlief wahrscheinlich erst mal zwei, drei Stunden, bis ihn der Hunger gegen Abend wieder wecken würde. Eltern waren Narren der Hoffnung.
    Dorit wischte Konrads Krümel vom Küchenbord in die hohle Hand.
    «Übrigens: Ich verdiene wieder Geld ab nächster Woche», sagte ich versöhnlich, «Chef lässt mich wieder arbeiten.»
    Dorit entspannte ein bisschen. «Gut. Das ist gut. Ich werde vielleicht demnächst nicht so viel nach Hause bringen.»
     
    Die Bedingungen von Chef waren hart. Er wollte mich nicht wirklich zurück. Das war zu spüren. Auch wenn er mich – anders als er vor vier Monaten verkündet hatte – weiterhin duzte, an meinem Fach im Großraum klebte schon ein neuer Name. («Der neue Tagesreporter. Wir wussten ja nicht, wie lange du krank sein würdest.») Chef sagte, er würde also auf der morgendlichen Redaktionskonferenz ein paar Worte zu meiner «Genesung» sagen, aber er würde nicht umhinkommen, auch auf meine «psychische Störung» zu verweisen, die sich «nun mittlerweile herumgesprochen» habe. Er würde die Kollegen auffordern, mir zu helfen, wieder in den Redaktionsalltag zurückzufinden. Teil dieser Hilfe sei mein neues Betätigungsfeld, die Serie «Das war unser Leben», in der alte Menschen ihre Geschichte erzählen. Hier erachte er die Gefahr, dass bei mir wieder einmal «die Sicherungen durchbrennen», als gering. Die Serie sei auf mindestens drei Jahre ausgelegt. Eine Menge Arbeit also.
    «Drei Jahre Kölnischwasser mit Urin-Odeur. Schimmlige Kekse aus dem Vertiko. Leute, die nach drei Worten vergessen haben, was sie eigentlich sagen wollten. Habe ich das wirklich verdient?», fragte ich Chef bitter. Aber es war auchegal. Ich hatte noch etwa 1200   Euro, bis ich unter den Dispo tauchen würde, Weihnachten war nicht mehr weit, und ich musste hier wieder rein, um kämpfen zu können.
    Chef verzog den Mund. Natürlich gäbe es auch andere Serienprojekte, zum Beispiel «Anders nackt – FK K-Nachwuchs im Osten» oder die geplante Doku über das Schicksal russischer Stripperinnen in Kleinstadtbars, aber da sehe er mich momentan überhaupt nicht. Und überhaupt: Draußen stünden die Absolventen Schlange, bestens ausgebildet und bereit, auch für das geringere

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