Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
gibt noch genug zu tun.«
»Dann fangt doch schon mal an!« Widerwillig kroch Tobias aus dem Bett. »Ich mag es nicht, wenn sich die Dinge schon morgens so dynamisch entwickeln.«
Der gleichen Ansicht war auch Florian. Trotzdem schlappte er ins Bad und drehte die kalte Dusche an. Mit den Fingerspitzen prüfte er die Temperatur, fand sie gerade richtig für Pinguine, Eisbären und Gesundheitsapostel und beschloß, seinen Kater lieber mit Alka Seltzer statt mit kaltem Wasser zu bekämpfen. Er hätte gestern eben doch nicht mehr mit durch die Altstadt ziehen sollen. Schließlich hatten sie Gerlachs Geburtstag schon in der Redaktion genügend begossen, aber dieser krumme Hund hatte ja noch weitermachen wollen und irgend etwas von einem Geheimtip gefaselt, den nur Eingeweihte kannten. Als Lokalredakteur gehörte er natürlich zu diesen Auserwählten, und so war die ganze Clique schließlich in einem obskuren Schuppen gelandet, der sich Number Two nannte, weil alle Getränke nur doppelt ausgeschenkt wurden. Gegen Ende der Feier hatte Florian sogar das Taxi doppelt gesehen.
Verdammt, er mußte jedoch seinen Wagen holen! Wo zum Kuckuck hatte er den eigentlich stehenlassen? Bei der doppelten Kneipe bestimmt nicht, dahin waren sie zu Fuß gegangen, und vor der Schaschlikstube gab’s lauter Halteverbotsschilder, da parkten immer bloß Touristen und kassierten ihre Knöllchen, aber wo waren sie denn vorher noch überall gewesen? Florian konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Ein Glück, daß Tinchen von der Sauftour nichts mitgekriegt hatte. Vorsichtshalber hatte er sie noch angerufen und etwas von improvisierter Weihnachtsfeier beim Verleger gefaselt. Hoffentlich war Gerlach inzwischen nüchtern genug, bei der Suche zu helfen. Oder lieber nicht, sonst endete sie doch wieder in irgendeiner Altstadtkneipe. Nicht umsonst war Gerlach Junggeselle ohne Familienanschluß und daher bestrebt, hohe Feiertage mit einem möglichst hohen Alkoholpegel zu beginnen.
Florian gurgelte ausgiebig mit Odol, und während er seine Bartstoppeln schabte, musterte er sich im Spiegel. Komisch, sobald er seine Brille nicht aufhatte, entdeckte er längst nicht so viele Falten wie sonst. Er fand sich sogar recht ansehnlich, wenn man mal von den etwas verschwiemelten Augen absah, aber die ließen sich zum Glück hinter der Brille verstekken. Graue Schläfen wirkten bei einem Mann immer interessant, das konnte man in jedem Liebesroman nachlesen, und sobald die durchgeistigte Stubenhockerblässe erst wieder einem sportlichen Braun gewichen war, konnte er es noch mit jedem Dreißigjährigen aufnehmen. Bestimmt aber mit einem Siebenunddreißigjährigen.
Weiter unten sah es nicht ganz so erfreulich aus. Der Bauchansatz war unverkennbar, hielt sich aber noch in Grenzen. Vielleicht sollte er doch mal mit Peter Gerlach zum Squashspielen gehen, der erzählte ja wahre Wunderdinge von Konditionsaufbau und Gewichtsabnahme. Man sah es ihm bloß nicht an. Gegen den war er, Florian, ein männlicher Twiggy. Oder wenigstens beinahe.
Fäuste trommelten gegen die Tür. »Was machst du denn so lange da drin? Du bist ja viel eitler als ich!«
»Nee – älter!« Er wickelte sich in seinen Bademantel und öffnete. Schweigend musterte Julia ihren Vater. »Hast auch schon mal besser ausgesehen. Du bist wohl heute nicht voll drauf, was?«
»Ich habe nur ein bißchen Kopfschmerzen.«
»Ja, ja, Enthaltsamkeit ist aller Laster Anfang«, sagte sie kichernd und verschwand hinter der Tür.
In der Küche saß Tobias und kaute Knäckebrot.
»Nanu, keine Brötchen da?«
»Überhaupt nichts ist da, nicht mal Toast.«
»Dann ist Mutti sicher schnell zum Bäcker gefahren.«
»Denkste, die ist bei Oma. Sie will da frühstücken, hat sie gesagt, und zum Mittagessen kommt sie auch nicht, hat sie gesagt, du sollst dir ’n Rollmops auf den Kopf legen und ’nen Eisbeutel essen – nee, umgekehrt, is ja auch egal, jedenfalls sehen wir sie erst wieder, wenn sie sich in Gala schmeißen muß. Die Frau ist echt fähig, was?«
Mit dem Fuß angelte Florian einen Stuhl heran und setzte sich. Anscheinend war seine späte Heimkehr doch nicht so unbemerkt geblieben, wie er gehofft hatte. »Wer hat gestern eigentlich den Teewagen mitten im Wohnzimmer stehenlassen?«
»Ach, du warst das? Wie haste den bloß kaputt gekriegt? Biste reingefallen?« Aus dem Küchenschrank holte Tobias ein Tablettenröhrchen und stellte es zusammen mit einem Glas Wasser auf den Tisch. »Hier,
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