Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
entsetzte sich Julia. »Bringt das Zeug sonstwohin, aber erst mal außer Sichtweite.«
»Also ins Bad!« kommandierte Tobias. »Kann mal einer die Türen aufmachen?«
In der halbgefüllten Badewanne stand, sorgfältig mit einem Bindfaden am Wasserhahn fixiert, ein zellophanumhüllter Chrysanthemenstrauß. »Für wen soll denn dieses Beerdigungsgemüse sein?«
»Das gehört mir«, sagte Karsten, »den nehme ich nachher mit. Ich bin noch zu ’ner Party eingeladen.« Suchend sah er sich um. »Am besten stellen wir den Kram in die Dusche, da kommt jetzt doch keiner hin. Schieb mal den Salat ganz nach hinten, dann passen die Brötchen auch noch rein.«
Das Festmahl verlief wie immer. Von der Suppe mußte Frau Antonie nachreichen, vom Karpfen blieb die Hälfte übrig, aber das Zitronensoufflé fand wieder begeisterte Abnehmer.
»Ihr macht euch wohl nicht viel aus Fisch?« fragte sie verwundert. »Mir ist das schon im letzten Jahr aufgefallen, allerdings war mir damals die Soße nicht so recht gelungen. Heute dagegen ist sie wirklich delikat.«
»Sicher, doch solange ich noch Zähne habe, brauchst du meine Weihnachtskekse nicht extra einzuweichen«, erklärte Florian mit seinem liebenswürdigsten Lächeln.
Frau Antonie hatte nichts verstanden. »Aber Junge, die Lebkuchen werden nicht vorher eingeweicht, sie lösen sich während des Kochvorgangs von selber auf.«
»Dann schmeiß sie doch gar nicht erst rein!«
Ernst Pabsts Ansprache, die er stets zwischen Hauptgang und Dessert zu halten pflegte, unterschied sich auch nicht sonderlich von den Reden der vergangenen Jahre und wurde wie stets mit dem Wunsch beendet, im nächsten Jahr möge nun endlich auch eine Schwiegertochter mit an der Festtafel sitzen.
»Da hat er sich aber geschnitten«, flüsterte Karsten in Florians Ohr, »lieber zwei Ringe unter den Augen als einen an der Hand.«
Der offizielle Teil war damit beendet. Julia räumte den Tisch ab, Tinchen fütterte die Spülmaschine, Frau Antonie wusch Gläser. »Die sind so empfindlich. Trockne sie bitte gleich ab.«
»Hat das nicht bis morgen Zeit?« maulte Julia.
»Merke dir eins, liebes Kind. Nichts ist unangenehmer, als am Morgen nach einem Fest in eine unaufgeräumte Küche zu kommen.« Es folgte ein längerer Monolog über Sauberkeit und Ordnungsliebe. »Als deine Mutter noch ein Backfisch war, habe ich manchmal unter das Papier, mit dem ihre Schrankfächer ausgelegt waren, einen kleinen Geldschein geschoben. Wenn sie beim Saubermachen gründlich genug war, durfte sie das gefundene Geld behalten.«
»Gar keine schlechte Methode«, bestätigte Julia, »warum hast du das nie bei mir gemacht, Mutti?«
»Hab ich ja«, sagte Tinchen trocken.
In Ernst Pabsts Arbeitszimmer saß der Rest der Sippe und wartete auf die Küchenbrigade. »Was machen die da draußen eigentlich? Großputz?« Verstohlen öffnete Florian den Hosenknopf. Er hing sowieso bloß noch an einem Faden, und die Sicherheitsnadel steckte natürlich unerreichbar in der Manteltasche.
»Was ich noch sagen wollte, Flori«, begann Karsten, »wenn die drei nachher ihre Kuverts finden, werde ich …« Er brach ab und sah Tobias durchdringend an. »Geh mal kurz in den Garten und guck nach, ob die Veilchen schon blühen!«
» Was soll ich?«
»’ne Fliege machen! Kannst ja gleich wieder reinkommen.«
»Stell dich doch nicht so an, ich bin kein kleines Kind mehr.« Er stand aber doch auf und verließ das Zimmer. Hinter dem Schreibtisch zog Karsten eine Langspielplatte hervor. »Nachher setze ich mich neben den Plattenspieler, und wenn sie ihre Briefumschläge aufmachen, spiele ich als stimmungsvolle Untermalung ein paar Takte Kenia-Musik ab.«
»Aber nicht zu früh, sonst fällt’s auf«, warnte Florian.
»Quatsch, bis dahin hat Mutti mindestens schon dreimal die Wiener Sängerknaben wieder umgedreht, da hört doch sowieso kein Mensch mehr hin.«
»Ich finde, das ist eine sehr gute Idee«, sagte Ernst Pabst, und Florian wunderte sich, weshalb er dabei so still in sich hineinlachte.
Eine halbe Stunde später sah es in Frau Antonies sonst makellos aufgeräumtem Wohnzimmer aus wie bei Hertie während des Schlußverkaufs. Niemand hatte ihre klagenden Rufe beachtet, das teure Geschenkpapier doch etwas sorgfältiger zu behandeln, weil man Teile davon bestimmt im nächsten Jahr noch einmal verwenden könne, und es war auch niemand bereit gewesen, die Schmuckbänder wieder zusammenzurollen und in die von ihr extra bereitgestellte Schachtel zu
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