Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
frühstücke erst mal!«
Schweigend goß Florian Kaffee in seine Tasse. Dann stand er noch mal auf und inspizierte den Kühlschrank. Bis auf ein Glas Mayonnaise, zwei Päckchen Butter und einer Handvoll verschrumpelter Mohrrüben war er leer. »Heißt das, wir müssen noch einkaufen gehen?«
»Sieht fast so aus.«
»Was denkt sich Mutti eigentlich? Ich weiß doch gar nicht, was gebraucht wird. Siehst du irgendwo eine Einkaufsliste?«
Natürlich hatte Tinchen die notwendigen Besorgungen schon gestern erledigt, aber nachdem Florian irgendwann zwischen Mitternacht und Morgen ziemlich geräuschvoll in sein Bett gefallen war, war sie noch einmal aufgestanden und hatte den ganzen Kühlschrank leergeräumt. Versteckt in einem Pappkarton, lagerten alle Delikatessen im Keller hinter der Waschmaschine, da war es am kühlsten. Das hätte gerade noch gefehlt! Sich vollaufen lassen und dann zum Frühstück Lachsschinken und echten Emmentaler essen wollen!
Im Grunde genommen war sie über Florians alkoholischen Ausrutscher ganz froh gewesen. Auf diese Weise konnte sie die Beleidigte spielen und brauchte nicht nach einer Ausrede zu suchen, um sich schon am frühen Morgen zu Frau Antonie abzusetzen. Hätte sie sich bloß nie von ihr überreden lassen, ausgerechnet eine Wolljacke für Florian zu stricken. Über das Topflappenstadium war sie eigentlich nie so richtig hinausgekommen, und alle Versuche ihrer Mutter, sie in die Kunst der gehobeneren Handarbeiten einzuführen, hatten regelmäßig bei einer Länge von maximal fünfzehn Zentimetern geendet. Im Sommer hatte sie nochmals einen Anlauf genommen und tatsächlich eine Jacke zusammengebracht, die dem Modell in der Strickzeitschrift weitgehend ähnelte. Nur der Kragen war nicht ganz fertig geworden, und die Ärmel mußte sie auch noch einnähen. Zwar hatte Frau Antonie ihr die Endfertigung abnehmen wollen, aber Tinchen hatte abgelehnt. »Entweder ganz oder gar nicht. Mein erstes Selbstgestricktes will ich bis zum letzten Knoten allein machen. Florian wird staunen.«
Florian staunte tatsächlich. Nicht über Tinchens Handarbeit, von der ahnte er gar nichts, sondern über Tinchen selber. Um Einkäufe brauche er sich nicht zu kümmern, hatte sie eben am Telefon gesagt, er solle lieber zusehen, daß er bis zum Abend wieder nüchtern sei. Den Weihnachtsbaum müsse er aber noch aufstellen, nein, wo der Ständer sei, wisse sie nicht, es könne durchaus sein, daß die Einkellerungskartoffeln drauflägen, den dunklen Anzug müsse er noch aus der Reinigung holen und aus dem Supermarkt die Gans. »Geh direkt zu Frau Feinbeiner, die hat den Vogel in Tiefkühl-Pension genommen, weil in unsere Truhe nichts mehr reinging. Und denke an Ersatzkerzen!«
Richtig, die Lichterkette mußte er noch kontrollieren, damit sich das Fiasko vom vergangenen Jahr nicht wiederholte. Zwei Kerzen waren kaputtgegangen, Reserve natürlich nicht im Haus gewesen, aber nun hat die ganze Christbaumbeleuchtung nicht mehr funktioniert. Unter Tinchens bissigen Bemerkungen, in diesem Hause herrsche eigenartigerweise niemals Mangel an alkoholischen Getränken, während lebensnotwendige Dinge selten vorrätig seien, hatte Florian den Bestand an Leuchterkerzen geplündert, die langen Dinger halbiert und mit Blumendraht notdürftig an den Zweigen befestigt. Vorsichtshalber bereitgestellte Wassereimer und der Feuerlöscher aus dem Auto hatten die Blaufichte stilvoll umrahmt.
Es dauerte ziemlich lange, bis Florian seinem Sohn klargemacht hatte, weshalb er die traditionellen vorweihnachtlichen Hausherrenpflichten an ihn delegieren mußte.
»Und du weißt wirklich nicht, wo du deine Karre stehengelassen hast? Am besten rufst du erst mal bei der Polizei an, vielleicht hat sie das Auto längst abgeschleppt.«
Florian hatte gerade das Haus verlassen, als Julia die Treppe herunterkam. »Nanu, keiner da?«
»Bin ich keiner?« Nur flüchtig hatte Tobias den Blick von seiner Zeitung gehoben, aber jetzt stutzte er. »Was ist denn mit dir los? Hast du die Masern gekriegt?«
Schnell wandte Julia ihr Gesicht ab. »Ich hab wohl gestern ein bißchen zu viel von der Peeling-Maske aufgetragen.«
»Keine Ahnung, was das ist, aber du siehst aus wie ein gekochter Hummer.«
»Es st-steht drauf, es s-sei eine g-garantier-tierte Dreißig-Tage-Schönheitskur«, verteidigte sich Julia schluchzend.
»Nur nicht die Geduld verlieren, vielleicht passiert alles auf einmal am letzten Tag. Wann ist denn der?«
»H-heute.«
Kurz vor sieben
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