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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Beckmann
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›sozusagen‹ gemeint war.
    Wagner war der Stimmungseinbruch zwischen ihnen offenbar unangenehm. Mehr jovial als kollegial legte er die Hand auf Kevins Schulter und sagte mit aufgesetzter Heiterkeit: »Wissen Sie was, Kuczmanik, ich lade Sie ein. Auf eine Lecker-Tass-Kaff bei mir zu Hause. Was halten Sie davon?«
    Kevin Kuczmanik war einverstanden. Bei einer ›Lecker-Tass-Kaff‹ fiel dem Wagner womöglich gar nicht auf, wenn er ihm beiläufig wegen gestern auf den Zahn fühlte. Kam drauf an, wie weit der POM das Maul dabei aufriss.

30
    Sie gingen noch mal ins Haus und verabschiedeten sich im Wohnzimmer von Silke Kock, die sich inzwischen in ein malvenfarbenes Kleid mit unzähligen kleinen schwarzen Zotteln gezwängt hatte. Wie Quarzsteine glitzerten die Bommel und repräsentierten anscheinend ihre momentan empfundene Trauer über den Tod ihres Mannes.
    Dann fuhren sie los. Das heißt, Kevin brauchte eine Weile, um in Hufelands Touran Sitz und Spiegel auf seine Größe und Reichweite einzurichten. Er folgte Wagners Dienstwagen wie am Vormittag über die Umgehungsstraße hinweg – und schon waren sie da. Wagners Haus lag in der Tat nur wenige hundert Meter von Kocks Villa entfernt. Es befand sich in der äußersten Reihe der Siedlung schmucker kleiner Einfamilienhäuser mit direktem Blick auf Kocks Hühnerfarm am jenseitigen Straßenufer. Spitzes rotes Ziegeldach, weiß geklinkerte Fassade, Rasen mit Achttagebart, ein kleiner, gestufter Weg aus grauen Schieferplatten, der zwischen weißem Kiesbelag zur Haustür führte – im Grunde, schien es Kevin, als er den Touran vor dem Haus parkte, unterschied sich der Stil gar nicht von Kocks Villa. Nur dass eben alles erheblich kleiner war als drüben.
    Und es stank selbstverständlich. Als er ausstieg, konnte er sogar noch die Abluftrohre auf der Mastanlage erkennen, deren Öffnungen wie Kanonenrohre auf die Ortschaft gerichtet waren. Technisch vielleicht unsinnig, aber eine gelungene Provokation der Nachbarn gleich gegenüber.
    Ja, das konnte einen schon wütend machen, selbst wenn man Polizist war, dachte er und folgte Wagner ins Haus.

31
    Das Erste, was ihm auffiel, war der Geruch. Wie im Kaufhaus. Nein, wie im Drogeriemarkt, diese unnachahmliche Mischung aus Veilchenimitat-Seife, Kloreiniger und parfümiertem Tee, der einem in solchen Geschäften unweigerlich entgegenschlug.
    Wagner schien seine Gedanken zu erraten, als er ihm im Flur den Mantel abnahm und sich selbst seiner Mütze und Uniformjacke entledigte. »Aah, das tut gut, was?«, atmete er demonstrativ durch. »Corinna, meine Frau, entgast quasi jeden Morgen und Abend den Hühnergestank aus dem Haus, der von draußen reinkommt.«
    Und zwar mit Gegengas, das die Geruchsnerven verklebte, dachte Kevin. »Superidee!«, gratulierte er dem Hausherrn und kniff die Nasenflügel zusammen, so gut es ging.
    Auf dem Weg ins Wohnzimmer kamen sie an einem Zimmer vorbei, an dessen Tür ein großes, himbeerrotes ›J‹ aus Holz prangte. Die Tür stand halb offen, ein Staubsauger lehnte gleich daneben an der Wand, der hellgraue Wollteppich im Zimmer sah wie neu verlegt aus und war sicher kürzlich erst gesaugt worden.
    Wagner fing seinen Blick auf und blieb seufzend stehen, um die Tür noch ein Stück weiter zu öffnen. In einer Ecke stand ein Kinderbett, so blank, wie Gott es geschaffen hatte, ohne Matratze, ohne Kissen, ohne alles. Neben dem schmalen weißen Kinderschrank befand sich rechts vom Fenster ein Wickeltisch, darüber an der Wand eine Heizlampe. Sonst war das Zimmer leer, selbst die bunten Streifentapeten schienen nur darauf hinzudeuten, dass Kinderbilder an den Wänden fehlten.
    Â»Janne oder Jan soll es mal heißen, wenn’s endlich mal schnackelt«, sagte Wagner mit belegter Stimme und deutete mit dem Finger auf das einsame rote ›J‹ an der Tür. »Hat bisher nicht sollen sein«, fügte er traurig hinzu.
    Was für ein seltsamer Gegensatz dieses unbehausten Zimmers zu dem überladenen, von Spielsachen und Kuscheltieren überquellenden Kinderzimmer im Haus der jungen Kocks, dachte Kevin.
    Â»Meine Frau ist übrigens nicht da«, erklärte Wagner, als sie das Wohnzimmer betraten, das eine Vorliebe für getigerte Muster verriet. »Sie arbeitet heute im Altenheim drüben.« Er schraubte den Kopf herum, der Otterschwanz zappelte unbestimmt

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