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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Affäre begann. Es lag an meiner Neugier.
    Wer bist du?
     
    Jack redete auf mich ein, er durchschritt den Raum wie ein Pastor während der Predigt, hob die Stimme, schüttelte die Hände. Ich hörte kaum zu und versank in Selbstmitleid. Ich fühlte mich leer und taub, kein Leben konnte in mir wachsen, keine Liebe überdauern.
    Jack hatte mir ein Thunfischsandwich gemacht und mir meine Antibiotika aufgenötigt und hielt mir nun einen Vortrag über meine Dummheit. Er drohte damit, die Polizei zu rufen oder mich mit Gewalt zum Anwalt zu schleifen. Jack besaß einen Hang zum Schwadronieren. Seine Fähigkeit, vollmundige Vorträge zu jedem beliebigen Thema zu halten, hatte etwas mit seiner Kindheit in Manhattan zu tun.
    »Isabel, hier geht es nicht um deinen nächsten Roman«, schloss er, »sondern um dein Leben.«
    »Wo ist der Unterschied?«
    Jack hielt inne und fixierte mich mit seinem Blick. Ich weiß nicht, wie ich ihn beschreiben soll; er ist mir so vertraut, dass ich ihn manchmal kaum sehe. Sein dunkles Haar ist sorgfältig zerzaust, die noch dunkleren Augen strahlen gütig, er scheint in das Geheimnis der Sinnlosigkeit des Lebens eingeweiht zu sein. Seine Nase hatte eine interessante Form, weil sie bei einem Faustkampf in der Highschool brach und nie richtig verheilte. Er war in Form, muskulös wie einer, der gerade genug Zeit im Fitnessstudio verbringt, und so stämmig wie jemand, der nicht gänzlich auf gutes Essen verzichten kann.
    »Willst du mir damit sagen, dass du nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kannst?« Sein Blick ruhte vorwurfsvoll auf dem Verband, den er mir eben angelegt hatte, so als wäre die Wunde darunter für meinen Geisteszustand verantwortlich.
    »Im Moment nicht.«
    »Spielst du gerade die zermürbte Existenzialistin? Oder bist du von allen guten Geistern verlassen?«
    Geist: ein aus historischen Gründen uneinheitlich verwendeter Begriff der Philosophie, Theologie, Psychologie und Alltagssprache. Welcher gute Geist hatte mich seiner Ansicht nach verlassen - der Geist der Vernunft, der Geist der Realität, der des Verstandes?
    »Nichts davon. Wenn ich jetzt einen Roman schreiben würde, würde ich mich fragen, was die Heldin als Nächstes tun soll. Ich würde ihre Möglichkeiten ausloten. Und genau das habe ich jetzt vor.«
    »Isabel, im richtigen Leben können Fehlentscheidungen schlimme Konsequenzen haben.«
    »In einem Roman auch.«
    »Na toll«, gab er beleidigt zurück. »Aber einen Roman kann man korrigieren oder umschreiben. In der Realität kannst du den Konsequenzen nicht entgehen.« Zur Bekräftigung seiner Worte schlug er sich mit der Faust in die Hand.
    Ich wandte mich ab und betrachtete eine riesige Konstruktionszeichnung der Brooklyn Bridge, die gerahmt an der Wand hing. Gerade Linien und exakte Abstände, winzige, handgeschriebene Anmerkungen zu Kabellänge und Flussbreite. Ich hatte die Ingenieure immer um die Genauigkeit ihres Denkens beneidet, um die Verlässlichkeit ihrer Instrumente und Fähigkeiten, um ihren festen Glauben an die Vermessbarkeit der Welt. Im Vergleich dazu kam mir mein Leben vage vor, alles veränderte sich zu schnell, um berechenbar zu sein.
    In gewisser Hinsicht hatte Jack recht, und der Umstand raubte mir die letzte Kraft. Plötzlich fühlte ich mich wieder von Zweifeln zerfressen, so wie eben auf der Straße. Ich dachte an Detective Crowe und an seine Visitenkarte in meiner Tasche. Alle Menschen, die mir etwas bedeuteten, wollten mich zur Aufgabe bewegen. Warum war ich so stur? Was hatte ich mir vorgestellt?
    »Dein Telefon klingelt«, sagte ich, lehnte mich zurück und betrachtete die hohe, weiß gestrichene Decke, den kunstvollen Stuck, die raffinierte Beleuchtung - eine wundervolle Mischung aus alten und modernen Elementen. Jack hatte wirklich eine Menge aus dem alten Haus herausgeholt. Ich bemerkte einen feinen Haarriss an der Decke und ein paar tote Insekten in den Leuchten. Wir lauschten dem fernen Klingelton des Telefons.
    Er schüttelte den Kopf. »Muss dein Handy sein. Mein Telefon liegt hier.« Er zeigte auf das schwarze, schlanke Mobilteil auf dem Küchentresen.
    »Nein, das kann nicht sein. Ich habe mein Handy weggeschmissen.«
    Wir starrten beide auf Camillas Handtasche. Sie lag neben meiner eigenen auf Jacks Ledersofa. Ich machte einen Hechtsprung zur Tasche, Jack einen zu mir.
    »Geh nicht ran«, sagte er und hielt meinen Arm fest.
    »Warum nicht?« Ich befreite mich aus seinem Griff, fasste nach der Tasche und kramte

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