Huete dich vor deinem Naechsten
steckte.
»Wo ist mein Anwalt?«, fragte er, ohne den Blick von seinen gefalteten Händen zu heben.
»Ist unterwegs«, log Grady. »Falls Sie dies wirklich wollen. Ich habe einen besseren Vorschlag. Obwohl gegen Sie eine Menge vorliegt - Widerstand gegen die Staatsgewalt, Behinderung von Ermittlungen, Angriff auf eine Polizistin -, sind wir nicht erpicht darauf, Sie fertigzumachen. Sie sind für uns praktisch wertlos.«
Shane hob weder den Kopf, noch sagte er etwas, aber Grady wusste, dass er zuhörte.
»Wir interessieren uns für den Mann, den Sie als Marcus Raine kennen.«
Grady bildete sich ein, Shane sei bei der Erwähnung des Namens zusammengezuckt, aber er war sich nicht sicher.
»Ist Ihnen bekannt, dass der Eingangsbereich des Apartmenthauses kameraüberwacht wird?«, log Jez. »Wir wissen, dass Sie die Leute reingelassen haben, die die Wohnung der Raines verwüstet haben. Wollen Sie uns verraten, wer diese Leute waren? Dann können Sie Ihr Gesicht wieder zwischen minderjährigen Titten vergraben, noch bevor die Sonne aufgeht.«
Jetzt, da Shane nicht mehr die saubere Uniform und die schicke Mütze trug, dafür aber unrasiert war und nach Zigaretten und Schnaps stank, wirkte er fünfzehn Jahre älter. Grady sah die roten, rauen Stellen an Shanes Händen, die Schuppen, die vom regelmäßigen Alkoholkonsum gerötete Nase. Sein Knie zitterte wie ein Pressluftbohrer, er hatte Angst. Umso besser. Grady reimte sich aus dem, was sie von Isabel Raine erfahren hatten, eine kleine Geschichte zusammen, und wie jede gute Geschichte war sie teils wahr, teils erfunden. Er würde sehen, wohin es führte.
»Wir haben eine ganze Menge rausgefunden und wissen, dass Marcus Raine in Wahrheit Kristof Ragan heißt. Wir glauben inzwischen, dass er den echten Marcus Raine ermordet hat, um an sein Geld und seine Identität zu kommen. Wir wissen von Kristof Ragans Bruder Ivan, einem Mann mit zahlreichen Vorstrafen, der Verbindungen zur albanischen und russischen Mafia hat. Wir vermuten, dass Ivan seinem Bruder bei der Ausführung der Taten geholfen hat. Unseren Ermittlungen zufolge wurde Ivan Ragan etwa eine Woche nach dem Verschwinden des echten Marcus Raine wegen anderer Straftaten verhaftet. Er kam erst vor Kurzem wieder frei, nachdem er eine Haftstrafe wegen illegalen Waffenbesitzes abgesessen hatte.
Zeitgleich zu Ivans Entlassung ist irgendwer dahintergekommen, dass Marcus Raine nicht der ist, für den er sich ausgibt. Also hat Kristof Ragan die Reißleine gezogen, alle Konten abgeräumt und einen Einbruch in seine Firma vorgetäuscht, um die Versicherungssumme zu kassieren. Außerdem hat er seinen Schwager bestohlen und dann sein Leben einfach zurückgelassen. Ein Säuberungstrupp hat sein Apartment und die Firma verwüstet und Zeugen beseitigt - bislang gibt es vier Tote - sowie alle eventuellen Beweise zerstört oder mitgenommen. Mit Ihrer Hilfe.«
Charlie ließ den Kopf hängen und mied jeden Blickkontakt. Aber Grady konnte sehen, wie dem alten Mann ein Schweißtropfen über die Stirn lief und auf der Tischplatte landete. Sie hatten Fotos aufgetrieben - ein Interpolfoto von Ivan Ragan und ein Bild der Frau, die Isabel Raine auf der Webseite von Services Unlimited erkannt hatte.
Jez reichte Grady die Fotos, der sie vor Charlie Shane auf dem Tisch ausbreitete. Shane schwieg immer noch und saß reglos da.
»Entweder sind Sie ein kleiner Helfershelfer, der das Säuberungskommando gegen ein großzügiges Trinkgeld eingelassen hat. In dem Fall sollten Sie unser Angebot annehmen und uns erzählen, was Sie wissen. Oder Sie haben vor denen noch viel mehr Angst als vor uns, was bedeuten würde, dass Sie in der Klemme stecken und ich Sie wegen Beihilfe vor Gericht bringen werde.«
Da schnellte Charlie Shanes Kopf in die Höhe. Grady unterdrückte ein Lächeln. Er wusste nicht, wie viel von seiner Theorie der Wirklichkeit entsprach - vielleicht wenig, vielleicht eine ganze Menge -, aber er fand, sie klang gut. Er war stolz auf sich.
»Ich weiß nichts«, sagte Shane. »Mr. Raine hat mich gebeten, ein paar seiner Freunde reinzulassen, die Akten abholen und in die Firma bringen sollten. Also habe ich es so gemacht. Er hat mir hundert Dollar zugesteckt und mich ersucht, keinem was davon zu erzählen. Woher sollte ich wissen, dass er ein Verbrechen plant? Ich bin nur der Portier. Ich tue, was man mir sagt.«
»Er hat Ihnen hundert Dollar gegeben und Sie gebeten, Stillschweigen zu bewahren? Hätten Sie da nicht merken müssen,
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