Huete dich vor deinem Naechsten
dass irgendwas nicht stimmte?«
Shane zuckte die Achseln.
»Kannten Sie die Leute, die Sie ins Haus gelassen haben?«
»Natürlich nicht.«
»Können Sie sie beschreiben? Würden Sie sie auf Fotos wiedererkennen?«
»Sie haben doch das Video, das aus der Überwachungskamera in der Lobby.« Er grinste Grady hämisch an und entblößte dabei seine gelben Zähne. Grady war nicht davon ausgegangen, Shane würde ihm die Sache mit den Kameras abkaufen. Er hatte ihn bloß verunsichern wollen.
»Das reicht«, sagte Jez, die schweigend und grübelnd in der Ecke stand. Trotz der Eispackungen war ihr Auge übel angeschwollen. Sie kam rasch an den Tisch. Grady konnte sehen, wie wütend sie war. Sie suchte nur nach einem Vorwand, um Hand an Shane legen zu können. Er rechnete fast damit, eingreifen zu müssen. Aber dann ging Jez zur Tür. »Zu viel Gerede. Lass uns die Formulare ausfüllen.«
»Warten Sie«, sagte Shane und hob eine Hand. Jez blieb stehen, drehte sich aber nicht um.
»Erzählen Sie uns, wie Sie Camilla kennengelernt haben«, forderte sie ihn auf.
Grady legte das einzige Foto, das sie von Camilla besaßen, auf den Tisch. Sie hatten es im Internet entdeckt. Shane schüttelte den Kopf.
»Wir haben sie heute tot in ihrem Apartment gefunden«, erklärte Grady. »Auf ihrer Hand befand sich ein Stempel vom Topaz Room, wo Sie vor ein paar Stunden festgenommen wurden. Sie waren der Portier des Mannes, der den Freund dieser Frau höchstwahrscheinlich ermordet und seiner Identität beraubt hat. Sie kannten sie.«
Schweigen. Jez drehte den Knauf und öffnete die Tür.
»Ich kannte sie«, sagte Shane eilig, »ich kannte sie.«
»So kommen wir weiter.« Jez schloss die Tür und wandte sich um.
»Vor ein paar Wochen - ist vielleicht schon zwei Monate her - hatte ich Teafords Nachtschicht übernommen, als ich draußen jemanden schreien hörte. Es war schon nach Mitternacht, und eine Frau schrie.«
Shane seufzte laut und rieb sich die Schläfen.
»Ich habe meinen Posten verlassen und bin raus, und da habe ich beobachtet, wie Miss Novak Mr. Raine angeschrien hat.«
»Was hat sie gesagt?«
»Sie hat gerufen: ›Du liebst sie, du liebst sie. Du solltest sie nicht lieben!‹«
»Wie hat Raine reagiert?«
»Er hat leise auf sie eingeredet und versucht, sie zu beruhigen. Sie hat geschrien: ›Ich habe ihn deinetwegen verraten, damit wir zusammen sein können. Ich habe mir die Hände blutig gemacht, für nichts!‹ So was in der Art.« Shane schüttelte eine Hand. »Ich kann mich an die genauen Worte nicht erinnern.«
Sein Bein zitterte immer noch, und er schwitzte.
»Mr. Raine sagte: ›Hab Geduld. Bald ist es vorbei.‹ Er wollte gehen, aber sie ist ihm nachgerannt und hat geschrien: ›Du Lügner, du Lügner, ich lasse alles auffliegen, alles!‹ Sie packte ihn am Arm. Aber er hat sie geschlagen, und da ist sie zurückgetaumelt. Und in dem Moment hat er mich entdeckt. ›Rufen Sie die Polizei, falls sie reinkommt‹, wies er mich an. Ich war sprachlos. Er sagte: ›Charlie, ich weiß, dass ich mich auf Ihre Diskretion verlassen kann.‹ Er hat sie weinend auf der Straße stehen lassen.«
»Was haben Sie getan?«, fragte Jez.
»Ich konnte sie nicht da stehen lassen. Als Raine ins Haus gegangen war, hab ich sie in die Lobby geholt. Ich hab ihr Eis für ihre Lippe gegeben und sie gefragt, ob sie ein Taxi braucht.«
»Woher hatten Sie das Eis?«, wollte Jez stirnrunzelnd wissen.
»Wie bitte?«, fragte Shane. Die Frage muss ihm sinnlos erschienen sein. Aber Grady wusste, worauf Jez hinauswollte. Eine Lüge erkannte man an Details, an Kleinigkeiten, die die Leute erfinden, um überzeugender zu klingen.
»Aus der Kühltasche, in der ich mir mein Essen mitbringe. Da lege ich immer einen Eisbeutel rein.«
Jez nickte zufrieden. Shane starrte an die Wand. »Sie kam mir so zerbrechlich vor, so schutzlos, und sie tat mir leid. Wir unterhielten uns eine Weile. Ich fragte sie, worüber sie sich mit Raine gestritten hätte. Wen hatte sie verraten? Sie antwortete, sie habe sich selbst verraten, immer wieder, so dass sie nicht mehr wisse, wer sie sei und was sie eigentlich wolle. Ich sagte ihr, dass das der Normalfall sei. Wir alle machen uns was vor, so oder so. Sie sagte: ›Nein, nicht so. Ein Mann hat mich geliebt, wirklich geliebt. Und ich habe ihn betrogen, um das Leben zu führen, nach dem ich mich immer gesehnt habe.‹ Mehr wollte sie nicht verraten.«
Er überlegte kurz. »Sie war schön, wissen Sie. Aber sie kam
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