Huete dich vor deinem Naechsten
E-Mail vertieft und beachtete Grady kaum.
»Camilla Novak und Kristof Ragan - falls der Name überhaupt stimmt - haben sich zusammengetan, um Marcus Raine zu ermorden und zu bestehlen«, erklärte sie. Sie klang überzeugt. So gingen sie stets vor; sie stellten eine These auf und versuchten anschließend, sie zu entkräften.
»Wie kommt es dann, dass Ragan Isabel Connelly geheiratet und eine ganz legale Firma gegründet hat und Camilla Novak weinend vor der Tür seines Luxusapartments steht?«
Jez dachte nach und spielte mit dem Kuli. »Er war ein Hochstapler. Isabel Connelly war sein nächstes Opfer. Er hat Novak irgendwie überredet zu warten. Vielleicht hat er ihr versprochen, der Gewinn würde noch höher ausfallen, wenn sie Isabel Connelly und deren Familie ausnehmen. Vielleicht hat er ihr Geld gegeben und die Affäre aufrechterhalten, um ihr Hoffnungen zu machen. Aber irgendwann hatte sie genug vom Warten.«
Grady überlegte. Er dachte an die von Isabel an ihn weitergeleitete E-Mail Camillas. »Sie hat Mailkontakt zu Isabel Raine aufgenommen - sie wollte ihn auffliegen lassen, genau so, wie sie es ihm auf der Straße angedroht hatte.«
»Er sollte sich gar nicht in Isabel verlieben, aber es ist trotzdem passiert. Er hat Isabel geliebt, und das Leben, das sie sich zusammen aufgebaut hatten«, sagte Jez.
»Er wollte sie nicht verlassen«, stimmte Grady zu.
»Und sein Bruder Ivan?«
Auch hierzu hatte Grady bereits eine Theorie. »Also gut. Ivan und Kristof reisen gleichzeitig in die USA ein. Kristof ist der Gute, er studiert, sucht sich einen Job bei Red Gravity. Dann lernt er Marcus Raine kennen und will alles, was dieser Typ hat - Geld, eine Freundin. Er lässt sich von seinem kriminellen Bruder helfen, weil er jemanden fürs Grobe braucht, für den Mord und die Entsorgung der Leiche, und im Gegenzug beteiligt er Ivan am Gewinn.«
»Aber dann will er nicht mehr teilen«, fügte Jez hinzu. Sie blätterte in einer Akte und reichte Grady das Protokoll von Ivans Festnahme. »Ivan Ragan wurde aufgrund eines anonymen Hinweises verhaftet. Er hatte in seinem Apartment genug Waffen für eine Privatarmee gelagert.«
»Kristof Ragan hat seinen Bruder reingelegt und in den Knast geschickt.«
»Warum hat er ihn nicht umgebracht? Wozu ist er das Risiko eingegangen, von Ivan verpfiffen zu werden?«
Grady zuckte die Achseln. »Vielleicht wollte er seinen eigenen Bruder nicht umbringen. Oder er war davon überzeugt, Ivan würde ihn niemals verdächtigen, ihn verpfiffen zu haben.«
»Aber Kristof musste sich doch im Klaren darüber gewesen sein, dass Ivan eines Tages freikommen und seinen Anteil einfordern würde.«
»Vielleicht hatte er vorgehabt, schon früher zu verschwinden. Er wollte sich nicht in Isabel verlieben. Es war das Einzige, das er nicht geplant hatte. Er ist nur ihretwegen geblieben.«
Grady betrachtete die Fotos von Kristof, Ivan und den Männern am Anleger. »Ivan hat herausgefunden, dass sein Bruder ihn verraten hat«, sagte er.
»Sieht danach aus.«
Jez studierte leicht kopfschüttelnd ihre Abzüge.
»Ist Geld tatsächlich so wichtig?«, fragte Grady. Er dachte an Kristof Ragan, der für Geld betrogen, manipuliert, gestohlen, gemordet, seinen eigenen Bruder verraten, ihn angeschossen und seinem Schicksal überlassen hatte.
Jez hob die Augenbrauen. »Geld ist wichtig. Sehr wichtig.«
»So wichtig, dass man seine Moralvorstellungen über Bord wirft, geliebte Menschen vor den Kopf stößt und einen Mord begeht?«
»Für manche Leute. Aber ich bin mir sicher, hier geht es nicht nur um Geld.«
»Worum dann?«
Sie starrte auf den Schreibtisch, trommelte mit den Fingern darauf herum. »Um eine Idee, um eine Vorstellung von Geld. Was es bewirken kann, wie es den eigenen Wert steigert.«
Er schüttelte den Kopf. »Das ist mir zu hoch.«
»Tatsächlich?«, fragte Jez. »Vor Benji habe ich mir nie Sorgen ums Geld gemacht. Ich dachte immer, solange ich die Rechnungen bezahlen, ein bisschen was zur Seite legen und mir hin und wieder was leisten kann, ist alles in Ordnung. Ich habe diese ganzen Typen mit dem vielen Geld gesehen - Zuhälter, Dealer. Die konnten sich alles kaufen, Autos und Klamotten, Flachbildfernseher und Ledersofas. Aber im Grunde ihres Herzens waren sie immer noch Abschaum, Dreck, ein Nichts.«
»Und jetzt?«
»Jetzt muss ich Benjis Privatschule bezahlen und fürs College sparen, und unsere Kosten für die Krankenversicherung, für Benzin und Lebensmittel explodieren. Er geht
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