Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
herunter. »Wir machen hier Halt. Jetzt.« Es reicht! Zugegeben, Andrea hatte eine schlimme Zeit durchgemacht; zugegeben, daß das auch zum Teil seine Schuld war, aber er hatte genug, sie zu behandeln, wie … wie …
… wie man mich immer behandelt hat. Wie eine Art Krüppel. Man läßt sie den Wagen fahren, damit sie irgendeine Beschäftigung hat, nicht weil sie dafür besonders geeignet ist. Selbst, wenn sie diese Art Behandlung wollte, wäre es falsch, ihr nachzugeben. Und jetzt reicht's. »Wir halten hier. Du kannst die Pferde laufen lassen oder sie zum Abendessen schlachten, mir ist das egal.« Er hob den Kopf und auch die Stimme. »Karl!«
Der große Mann trieb sein Pferd herüber. »Essenspause?« Er deutete mit dem Daumen auf den Berg hinter ihm. »Ich habe vor uns ein paar Bäume gesehen, etwa eine Meile oder so, glaube ich. Dort wäre es etwas angenehmer.«
Ahira schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe Andrea gesagt, daß wir hier halten. Für ganz, was die Wagen betrifft. Hakim ist in dem anderen und redet mit Ari. Geh doch rüber und hol ihn. Er soll ein Pferd satteln. Dann könnt ihr beiden euch amüsieren und hinausreiten und den Eingang finden. Den Eingang.«
»Und wenn wir ihn nicht finden?« Karl verzog mißbilligend das Gesicht.
Ahiras Hand zuckte nach dem Griff der Streitaxt. »Dann seid ihr bei Sonnenaufgang wieder zurück und könnt es morgen bei Tagesanbruch noch mal versuchen.«
Karls Pferd tänzelte zurück. »Ich habe eine bessere Idee, glaube ich. Doria hat doch einen Lokalisierungszauberspruch. Laß sie doch den Eingang finden.«
Andrea hob die Hand. »Wollt ihr beiden meine Meinung hören, oder ist sie euch scheißegal?« Sie spitzte die Lippen und öffnete den Mund, als wollte sie weitersprechen, schloß ihn dann aber wieder und fing neu an. »Es wäre besser, sie in Ruhe zu lassen. Zwei Gründe: Erstens sind die Lokalisierungs sprüche ziemlich kompliziert. Wenn sie nicht ganz genau weiß, wonach sie suchen soll, legt sich der Zauber auf etwas anderes, etwas, das ihrer … ihrer inneren Beschreibung entspricht. Außerdem« – ihre Schultern zuckten unter dem Gewand – »halte ich es für das beste, sie in jedem Fall in Ruhe zu lassen. Stellt keine Forderungen an sie, wenn es nicht sein muß. Ich … weiß nicht, ob der Versuch, ihr etwas zu tun zu geben, sie nicht … ganz überschnappen läßt.«
Karl, hoch zu Roß, seufzte. »Ich schätze, du hast recht. Ich … dachte nur, daß ein bißchen Aktivität ihr gut tun würde, ihr helfen würde, die Gedanken auf etwas anderes zu richten als … « Er machte eine hilflose Handbewegung. » … na ja, überhaupt.«
»Was, zum Teufel, weißt du denn schon davon?« fuhr Andrea ihn an.
Karl blieb einen Augenblick ganz ruhig sitzen, dann schüttelte er langsam den Kopf von einer Seite zur anderen. »Wissen? Ich würde nicht sagen, daß ich viel über irgend etwas weiß.« Er lächelte verkrampft, dann wandte er seine Stute ab und ritt zum anderen Wagen.
Ahira starrte in die Ferne hinaus und hielt die Augen auf den Berg gerichtet, nicht auf Andrea. Er sprach kein Wort.
Schließlich brach sie das Schweigen. »Was sollte das denn bedeuten?«
Ahira ging auf die Ladefläche und machte sich daran, die Pferde auszuspannen. »Ich kann mir nur zwei Dinge vorstellen. Entweder versteht er dich nicht, was ich ihm auch nicht übelnehmen kann, denn ich tue es auch nicht … «
»Ich habe versucht, es ihm zu erklären, als … « Ihre Stimme ging in Schluchzen über. » … als alles … auseinanderfiel. Und jetzt behandelt er mich, als wäre ich … beschmutzt.«
»Nein!« Ahira wirbelte herum. »Das darfst du nicht einmal denken! Ich bin nicht immer ein großer Bewunderer von Karl gewesen, aber in diesem Punkt irrst du dich total!« Er hielt ihr die Hand hin. Zitternd schlug sie ein. »Ich glaube nicht, daß Karl besonders gut damit zurechtkommt, sein Schuld gefühl zu bewältigen. Das ist es – nichts anderes. Karl kennt … wir alle kennen den Unterschied zwischen einem Opfer und … « Er biß die Zähne zusammen. Vielleicht hatte Karl doch nicht unrecht gehabt, als er zurückgegangen war und Ohlmin und die Sklavenhändler erledigt hatte, trotz des Risikos. »Darauf gebe ich dir mein Wort.«
Sie nickte langsam. »Du hast gesagt, daß du dir zwei Gründe vorstellen könntest.«
Ahira nickte ihr aufmunternd zu. »Daß vielleicht ein Unterschied besteht zwischen wissen und sich sorgen um jemanden, den man sehr mag. Und Karl mag dich sehr.
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