Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
wiederholte den Wickelprozeß bei der Kette am rechten Arm und ging dann zu den Fußfesseln über. »Du hast mir das Kommando überlassen, erinnerst du dich?«
»Das war nur, während … «
»Pech gehabt.« Karl zuckte mit den Achseln. »Was mich betrifft, bist du noch immer weggetreten.« Er packte Ahira hart an der Schulter. »Wir sind bald zurück. Paß auf dich auf!«
Zwei Schritte zur Tür, und Karl Cullinane war verschwunden.
Aristobulus hielt bis zur Morgendämmerung Wache. Im Schneidersitz saß er auf dem Wagendach, unter sich eine Decke, den Wasserschlauch daneben und den Flammenzauber ganz vorne in seinem Kopf.
Bei Tagesanbruch erschien ein Punkt am Horizont. Er stand auf und machte sich fertig. Wenn es Karl und Hakim waren, war ja alles in Ordnung. Wenn nicht, ging das auch klar, nur auf andere Weise. Außerhalb der Reichweite der Armbrust gab es keine Möglichkeit, daß eine kleine Gruppe ihm etwas tun konnte, ehe er sie in Feuer aufgehen ließ.
Der Punkt wurde größer, bis er die Größe ihres Kastenwagens erreicht hatte, der jetzt von acht Pferden gezogen wurde. Karl und Hakim saßen auf dem Bock. Sie waren rußig, aber ansonsten unverletzt.
»Karl, Hakim«, rief er. »Ist alles … « Aristobulus rief nicht weiter. Ihm fielen nicht die passenden Worte ein.
Cullinane zog kräfti g an den Zügeln. »Langsam, lang sam!« redete er auf die Tiere beruhigend ein. Dann nahm er einen Lederbeutel von der Liegefläche des Wagens, stieg ab und streichelte die große Stute, die sonst sein Reittier war, diesmal aber nicht das Gespann führte. »So, meine Gute, jetzt brauchst du nicht mehr vor einem Wagen zu gehen. Morgen hast du wieder einen Sattel.«
Er blieb vor dem Magier stehen und reckte den Hals, um zu Aristobulus aufzuschauen. »Wir haben sie alle erledigt.« Seine Stimme klang völlig sachlich, als würde er lediglich die Uhrzeit sagen.
»Bist du sicher?« fragte Aristobulus. »Auch Ohlmin?«
Cullinane faßte in den Lederbeutel. »Auch Ohlmin.« Er zog die Hand heraus; sie zitterte.
An seinen schwarzen Haaren baumelte Ohlmins Kopf, als würde er zustimmend nicken.
TEIL VIER
BREMON
Kapitel dreizehn
Zum Bremon
Melancholie und Verzweiflung treten oft – aber nicht immer – gleichzeitig auf. Zwischen beiden besteht ein großer Unterschied: Bei Melancholie hat man Angst ohne Grund bei einer großen Gelegenheit. Melancholie wird durch Angst und Trauer verursacht; aber diese Qual bewirkt sie zugleich und zudem äußerste Bitterkeit.
Robert Burton
Karl wußte nicht, wann es angefangen hatte; aber er hatte sich etwas angewöhnt: Immer wieder rieb er seine Handgelenke, als wollte er sich überzeugen, daß die Handschellen wirklich weg waren. Jetzt war es schon beinahe eine Woche, seit Ahira die Werk zeuge benutzt hatte, die sie sich von den Sklaven jägern zurückgeholt hatten, um ihnen allen die Rückstände ihrer Gefangenschaft abzunehmen …
Zumindest die äußerlichen Rückstände. Karl ließ die rechte Hand auf den Sattel sinken und schüttelte den Kopf, weil sein Gelenk immer noch so rot und wund war.
Er riß sich zusammen und ruckte kurz am Zügel. Die Stute gehorchte sofort und blieb stehen, damit die beiden Wagen an ihr vorbeifahren konnten.
Karl streichelte ihr den Hals und lächelte liebevoll: »Ich würde dir ja einen Namen geben; aber wir müssen dich laufen lassen, wenn wir den Berg erreicht haben. Durch das Tor kann ich dich schlecht mitnehmen, und es wird leichter für mich sein, wenn ich dir keinen Namen gegeben habe, verstehst du?«
Sie hob den Kopf und wieherte. Karl lachte leise. Das war keine Antwort auf seine Frage. Sie war nur ärgerlich, weil die Pferde, die im Geschirr gingen, an ihr vorbeitrabten. Sie empfand das als eine Beleidigung für ein Mitglied des satteltragenden Adels. »Nun, ich verstehe dich wenigstens.« Er ließ sie langsam weitergehen, während er sich im Sattel aufrichtete und die kühle, milde Luft des Graslandes hinter der Wüste einsog. Ein Ostwind brachte einen leisen Pfefferminzduft und den kräftigen Geruch des in der Sonne gedörrten Grases, ferner einen entfernten Hauch von Moschus.
Walter saß wie üblich auf seinem Hochsitz auf dem Wagen. Er legte den Kopf schief und griff zum Wasserschlauch. »Durstig?«
Eher aus Gefälligkeit als aus Durst trieb Karl seine Stute hinüber und nahm das Wasser … Seine Stute hielt mit dem Wagen Schritt, den Kopf hoch erhoben, der Gang etwas spritziger, als wollte sie jede Gemeinsamkeit
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