Hüter der Flamme 03 - Die Krone des Siegers
eine vom Feuer entstellte Hand. »Das nennt Ihr verletzt?« Wenn Ahrmin nicht die Flasche mit dem Heiltrank auf dem Schiff getrunken hätte, als alles um ihn brannte, wäre er gestorben. Auch so hatte er sich nie wieder ganz von den Verbrennungen und dem langen Marsch über die Berge von Melawei nach Ehvenor erholt.
»Ja. Stimmst du mir nicht zu?« Beim Sprechen bewegte sie ihre langen Finger. Die Luft auf einer Seite der Matriarchin schimmerte und verfestigte sich zu einem Spiegel.
»Schau dich an!« befahl sie.
Ahrmin gehorchte. Er zwang die Schultern nach hinten, um gerade zu stehen.
Es war kein schöner Anblick. Auf der rechten Seite seines Kopfes war kein Haar mehr, die Haut war für immer gebräunt und runzelig, bis auf die wenigen Stellen, wo seine zitternde Hand so viel Heiltrank hatte hinspritzen können, daß sie heil blieben.
Die linke Gesichtshälfte sah normal aus. Das Feuer hatte ihn dort nur versengt, und der Heiltrank hatte zusammen mit der natürlichen Heilfähigkeit seines Körpers alles gesunden lassen.
Aber die rechte Hälfte seines Gesichts war ein grauenvoller Anblick. Die Flammen hatten sein Ohr und einen Großteil der Lippen verschlungen und die Wange bis auf die Knochen heruntergebrannt. Der Heiltrank hatte nicht genug Kraft, das Fleisch wieder aus der Asche zurückzubringen.
Die Matriarchin hatte mit Sicherheit die Macht, das zu tun. Man sagte, daß sie sogar Tote wiedererwecken könne. Sicher würde sie ...
»Nein!« Sie scheuchte den Gedanken und den Spiegel mit einer Handbewegung fort. »Ich erwarte nicht, daß du das verstehst; aber hier sind Kräfte im Spiel, mit denen selbst ich mich nicht noch einmal messen möchte. Ich habe es schon dreimal getan. Einmal vor vielen Jahren, um den Tabernakel und sein Gehege zu schützen, und dann noch zweimal«, sagte sie und legte liebe voll eine Hand auf den Arm der Altardienerin, »aus Grün den, die dich nichts angehen. Ich werde es jetzt nicht tun.«
»Aber ich habe Gold gebracht.« Er deutete mit der Hand zum Eingang. »Säcke voll.«
»Gold!« Die Altardienerin schnaubte verächtlich. »Du kannst einen ganzen Berg Gold bringen, und wir würden dir trotzdem nicht helfen. Jetzt hast du gegen Karl keine Chance; aber wenn wir dich heilen würden ...«
»Ich bringe den Bastard zur Strecke, und dann töte ich ihn. Er hat meinen Vater ermordet und mir das hier ange tan.« Ich werde ihn zur Strecke bringen, ganz gleich, ob ihr mir helft oder nicht, dachte er. Ich werde seinen Kopf in meinen Händen halten.
Die Matriarchin verschränkte die Arme über der Brust. »Das ist Ansichtssache.« Sie streckte einen dünnen Arm vor. »Geh nun!«
Es hatte keinen Sinn zu bleiben. Gegen die Hand konnte er nichts ausrichten, nicht einmal, wenn er seine gesamte Zunft hinter sich hätte.
Er machte auf dem Absatz kehrt und humpelte davon. Die Worte hallten in den Marmorhallen hinter ihm wider.
»Wir müssen Karl helfen, Mutter, ihn zumindest warnen.«
»Ah! Deine Fähigkeiten haben sich gesteigert, Tochter. Du liest Ahrmins geheime Gedanken.«
»Ja. Karl muß denken, daß Ahrmin tot ist. Er weiß nicht ...«
»Wir können es ihm auch nicht sagen. Unsere Verantwortung liegt woanders - und in anderer Zeit. Jetzt sich einzumischen, die Hand noch tiefer in diese Sache hineinziehen ... das würde alles zerstören, wie du genau weißt.«
»Ja, ich weiß, aber ... vergib mir, Mutter, ich habe gelogen. Vielleicht kann er Karl doch töten oder töten lassen. Es ist...«
»Dir ist verziehen. Du bist nicht die erste unseres Ordens, die eine Lüge ausgesprochen hat.«
»Er könnte Karl umbringen, wenn er ihn überraschen würde ...«
»Ich glaube, du unterschätzt deinen Karl Cullinane. Wie dem auch sein mag, mein Entschluß steht fest, Tochter.«
»Aber was können wir tun?«
»Im Augenblick gar nichts. Wir müssen warten. Warten ist eine schwierige Kunst. Ich empfehle dir, dich darin zu üben, Doria ...«
TEIL1
DER WALD VON WEHNEST
Kapitel eins
Der Jäger
In der Dunkelheit des Zeltes griff eine Hand nach seiner Schulter. »Karl, ta ly'veth ta ahd dalazhi.« Karl, es ist Zeit, aufzuwachen.
Karl Cullinane war augenblicklich hellwach. Er packte mit der linken Hand das zarte Handgelenk und zog, daß der andere Körper gegen die Zeltstange prallte und sie beinahe umstieß. Mit der rechten Hand wehrte er einen möglichen Dolchstoß ab und - hielt inne, als er erkannte, wer es war.
»Ta havath, Karl.« Ruhig, Karl. Tennetty blies ihm lachend ihren warmen
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