Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
daß Walter Slowotski etwas gegen gewiefte Zurückhaltung einzuwenden gehabt hätte - im Gegenteil, von verschiedenen Möglichkeiten gab er ihr jederzeit den Vorzug -, doch es gab eine Zeit für unverblümte Konfrontation.
Hätte er das Kommando gehabt ...
Aber ich habe das Kommando nicht. Nicht mehr. Nicht einmal in dem Ausmaß wie damals, als er bei den gemeinsamen Stoßtruppunternehmen Karls Stellvertreter gewesen war.
Er wünschte sich die alten Zeiten nicht zurück, nicht wirklich. Der Proviant wurde kalt verzehrt damals, aus Furcht, die Sklavenhändler könnten den Schein eines Kochfeuers bemerken; sie schliefen nur mit einem Auge, gepeinigt von der Erinnerung an das Gesicht eines Mannes, der weniger vorsichtig gewesen war. Bei Tage mußten sie sich gegen die Anspannung stemmen, bei Nacht gegen die Angst, und die ganze Zeit hoffte, betete man, daß der nächste, der mit einem Armbrustbolzen zwischen den blutigen Zähnen tot zu Boden fiel, wirklich der nächste war und nicht Emma Slowotskis kleiner Junge.
Nein, er vermißte den Kampf nicht.
Doch über diesen längst vergangenen Tagen lag ein besonderer Glanz, den er seither vermißte. Etwas Besonderes, das sich kaum in Worte fassen ließ.
Vielleicht erschien einem der eigene Herzschlag belebender, wenn man jeden einzelnen wahrzunehmen vermochte, entschied Walter. Das mußte es sein.
Und er schimpfte sich selbst einen Idioten. »Es gibt einen alten chinesischen Fluch: ›Mögest du in interessanten Zeiten leben‹«, murmelte er vor sich hin, bevor ihm einfiel, daß dumme Sturheit ein Merkmal kleiner Geister war.
Sofort fühlte er sich besser. Walter Slowotski hatte nicht die Absicht, die Weiträumigkeit seines Geistes durch unangebrachte Sturheit aufs Spiel zu setzen.
»Es gibt auch ein altes amerikanisches Sprichwort«, ließ sich Ahira vernehmen. »Es heißt ungefähr so: ›Leute, die mit sich selber reden, sind ein bißchen durcheinander zwischen den Ohren.‹«
Slowotski ermunterte sein Pferd mit einem Fersenstoß zu einem zockelnden Trab und lächelte selig, als die Zwerge hinter ihm ihre Reittiere gleichfalls anspornten. Zwerge und Pferde - selbst wenn es sich um so gutmütige Ponies handelte, wie Geveren und die übrigen Mitglieder der Eskorte sie unter dem Sattel hatten - waren berühmt und berüchtigt dafür, nicht miteinander auszukommen.
»Du bist ein gemeiner Mensch, Walter Slowotski«, bemerkte Ahira, der auf dem Rücken seines Pferdes auf und nieder hüpfte. Als einziger der Zwerge hatte er sich ein normal großes Tier ausgesucht, obwohl er und sein grauer Wallach sich allem Anschein nach nicht besonders leiden konnten.
Nur, das war eben Ahira: Er suchte sich immer einen grauen Wallach aus, mit dem der sich dann herumärgern mußte. Seine auf das Pferd gemünzten Flüche waren beinahe ebenso Teil seiner selbst wie das Klirren des geflickten Kettenhemdes und die riesige, doppelklingige Streitaxt an seinem Sattel.
Nichts bleibt sich ewig gleich - früher hatte Ahira eine kleinere Axt getragen, die in Lederschlingen vor seiner lächerlich breiten Brust hing. Jene Axt hatte er gegen eine größere eingetauscht, die nicht viel kleiner war als er selbst.
»He, Walter, ist das nicht ...« Das gutmütige Gesicht des Zwergs legte sich in ratlose Falten, um dann in einem breiten Lächeln zu erstrahlen. »Aber ja! Juhuuu!«
»Wie?«
»Vor der Zollbaracke - das ist er!« Fluchend spornte der Zwerg sein Pferd zu einem fliegenden Galopp.
Das übergroße Blockhaus, in dem die Zollstation von Heim untergebracht war, zeichnete sich für Slowotskis Augen nur als verwischter Fleck vor dem Horizont ab, aber Ahira mußte etwas entdeckt haben. Um etwas Gefährliches konnte es sich nicht handeln, sonst hätte Ahira seine Begleiter gewarnt, aber dennoch ...
Slowotski hob sich in den Steigbügeln und rief den Zwerg auf dem Fahrersitz des Plattformwagens an.
»He, Geveren«, sagte er und betonte ausdrücklich die erste Silbe des Namens. »Ich reite Ahira nach. Laß dir ruhig ein klein wenig Zeit, wenn du ...«
»Nur einen winzigen Augenblick«, wurde er von Geveren unterbrochen, durch dessen Bart ein lückenhaftes Grinsen blitzte. »Nur eine kurze Weile.«
Die Zwerge nahmen Slowotskis anzügliche Scherze nicht übel. In ihren eigenen Augen hatten sie die richtige Größe, und die Menschen waren übermäßig in die Länge gezogene Elendsgestalten, wenn auch nicht so arg wie die Elfen.
»... aber du sorgst dafür, daß die anderen nachkommen«, schloß
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