Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
sollte.
Doch es ergab einen Sinn. Ausprobieren kann ich es ja, dachte er. Vor ihm lag Wehnest. Sofern er nicht doch umkehren und nach Hause reiten wollte ...
»Ich kann nicht«, sagte er. »Ich kann nicht umkehren.«
... nun, dann mußte er entweder an Ort und Stelle bleiben, den Weg durch die Felder nehmen oder geradeaus reiten. Er hatte das Pferd lange genug geführt; er nahm die Zügel auf, schwang sich in den Sattel und ließ das Tier in langsamen Schritt fallen.
Er tätschelte das Gewehrfutteral. Als erstes mußte er etwas wegen der Schußwaffen unternehmen; an ihnen erkannte man ihn sofort als einen Bewohner Heims. Krieger aus Heim erfreuten sich nicht überall sonderlicher Beliebtheit; es gab immer jemanden, der sich gerne eine der von der Gilde ausgesetzten Belohnungen verdiente. Während die Pistolen sich ohne weiteres verbergen ließen, war ihm durchaus klar, daß er das Gewehr wegwerfen mußte, doch Jason hatte das Schmiedehandwerk unter Nehara gelernt; allein der Lauf bedeutete Stunden um Stunden harter Arbeit, und es kam ihm nicht richtig vor, sich davon so ohne weiteres zu trennen.
Außerdem konnte ihm das Gewehr durchaus noch zupaß kommen.
Überdies, dachte er und würgte an den ungebeten aufsteigenden Tränen, war es eine Erinnerung an Heim.
Er verdiente es nicht, aber er wollte es trotzdem behalten.
Ein Stück weiter die Straße hinunter, am Boden einer kleinen Senke, erhob sich in dem Maisfeld, umgeben von einem kreisrunden grasigen Fleck, eine altehrwürdige Eiche, die ihre Zweige über einen Brunnen breitete. Er hatte keine Ahnung, ob der Brunnen eigens für Reisende und ihre Tiere gegraben worden war, oder ob er ursprünglich zu einer Heimstätte gehörte, jedenfalls hielt man ihn gut instand: Der Eimer aus Eschenholz war neu, das Seil stark und ordentlich aufgerollt.
Er tränkte zuerst das Pferd und ließ es anschließend grasen.
Nachdem das erledigt war, zog er sich aus, holte einen weiteren Eimer Wasser herauf und unterzog die einzelnen Kleidungsstücke einer mehr schlechten als rechten Wäsche. Hemd und Beinkleider wrang er so gründlich aus, wie er es zuwege brachte, und legte sie dann zum Trocknen in die Sonne.
Zu guter Letzt füllte er den Eimmer ein drittesmal und goß sich den Inhalt über den Kopf, bevor er Zeit hatte, es sich anders zu überlegen.
Das Wasser war kälter als er auch nur geahnt hatte. Er rieb sich den Schlamm von der Haut und klapperte dabei mit den Zähnen.
Mit der Schlafdecke trocknete er sich notdürftig ab, breitete sie dann aus und legte sich hin. Was er tun konnte, hatte er getan, der Rest mußte der Sonne überlassen bleiben.
Mit einem Ruck setzte er sich auf und mußte einen Augenblick überlegen, wo er sich eigentlich befand, bevor es ihm wieder einfiel.
Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel, Kleider und Decke waren beinahe trocken. Er hatte immer noch Hunger.
Rasch zog er sich an und stand nachdenklich vor seiner bescheidenen Habe, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. Schließlich kniete er nieder, um das Gewehr mit einem ölgetränkten Lappen aus der Satteltasche zu polieren, bevor er es in die Decke wickelte und verschnürte. Na ja, das Gewehr war versteckt - sozusagen, aber es sah immer noch aus wie ein in eine Decke verschnürtes Gewehr.
Nicht gut genug, entschied er und öffnete das Paket wieder.
Jason nahm ein paar Federn aus dem Beutel mit dem Schnitzzeug für Pfeile und band sie an einen kleinen Stock, den er in den Gewehrlauf steckte. Mit dem Jagdmesser schnitt er einige Maisstauden ab, verfütterte die unreifen Kolben an das Pferd, legte die Stengel neben das Gewehr und wickelte alles zusammen wieder in die Decke.
Na, das sah schon viel besser aus.
Ein flüchtiger Beobachter mußte in dem Bündel einen Bogen und halbfertige Pfeile vermuten.
Mit einem breiten Grinsen stand er auf, bis ihm wieder zu Bewußtsein kam, in welcher Lage er sich befand.
Feiglinge hatten kein Recht zu lächeln. Er würde nie wieder lächeln, beschloß er, wickelte die Pistolen in Öltücher und verbarg sie in den Satteltaschen.
Dennoch, Riccetti hatte recht gehabt, wie gewöhnlich. Nach der Lösung eines Problems, wie unbedeutend es auch sein mochte, erschien der Tag ein wenig heller, das Leben etwas lebenswerter.
Nachdem er seinen Schwertgurt zurechtgerückt hatte, schwang er sich auf Indeterminists Rücken und schüttelte mit Nachdruck die Zügel.
Wehnest war nicht im geringsten mit Heim vergleichbar oder auch nur mit einer der
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