Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
ihn zur Rückkehr überreden, ihn zur Rückkehr zwingen, wenn es sein muß.«
Aeias Augen schossen Blitze. »Meinen Bruder zwingen?«
»Laß sein, Aeia. Denk noch mal nach, Bren Adahan«, sagte Daherrin. »Denk scharf nach.«
»Wie bitte?«
»Er fordert dich auf, die Sache zu durchdenken«, erklärte Aeia. Sie sprach langsam und geduldig, als hätte sie es mit einem schwachsinnigen Kind zu tun. »Jason ist nicht nur mein kleiner Bruder, er ist außerdem Karl Cullinanes Sohn - glaubst du nicht auch, daß jedes Mitglied der Sklavenhändlergilde sein rechtes Bein hergeben würde, um den Sohn des Kaisers in die Finger zu bekommen?« Sie kratzte ihren Teller leer. »Wir müssen uns beeilen. Es wird nicht lange dauern, bis die Nachricht sich ausbreitet.«
Damit hatte sie recht. Die Nachricht von Jasons Desertion hatte sich unter den Kriegern aus Heim in Windeseile ausgebreitet - und wahrscheinlich auch unter den befreiten Sklaven. Klatsch und Gerüchte breiten sich ungefähr mit Schallgeschwindigkeit aus, obwohl es einem manchmal wie Lichtgeschwindigkeit vorkommt. Wer aus Therranj stammte, würde natürlich bei der Heimkehr nicht mit solchen Neuigkeiten hinter dem Berg halten, und die Krieger aus Heim trugen die Nachricht ins Tal, wo sie vermutlich ein auswärtiger Händler aufschnappte und weitererzählte.
Ganz sicher wußte man innerhalb weniger Wochen nah und fern: Jason Cullinane war unterwegs. Allein und ohne Schutz.
Wenn die Neuigkeit diesem Bastard Ahrmin zu Ohren kam, würde er den Jungen zu entführen versuchen, um mit diesem Hebel Karl aus Holtun-Bieme herauszustemmen? Oder würde er den Jungen zu Tode foltern, um damit Karl an einen Ort zu locken, wo er ihn möglichst gefahrlos töten konnte?
Kam es darauf an?
Ahira schüttelte den Kopf. Die Aussichten wurden immer schwärzer.
»Wir müssen ihn finden, bevor alle Welt Bescheid weiß«, bemerkte Daherrin. Er wischte sich die Nase. »Mir gefällt die Sache ohnehin nicht; ein ordentlicher Kampf ist mir lieber.« Seinem Vize rief er zu: »Drei oder vier Tage bis zur Verabredung mit dem Drachen?«
»Vier«, ertönte die Antwort. »Wenn er pünktlich in Heim eintrifft, und falls wir pünktlich am Treffpunkt sind.«
»Ellegon! Das ist die Lösung«, sagte Bren Adahan eifrig. »Kann Ellegon ihn nicht ausfindig machen?«
»Sicher.« Walter Slowotski hielt einen Stock ins Feuer, zog ihn heraus und betrachtete angelegentlich das glühende Ende. »Wenn die Entfernung nicht allzugroß ist, kann Ellegon seine Gedanken auffangen - die zwei standen schon miteinander in Verbindung, als Jason noch gar nicht geboren war; Ellegon vermag ihn sogar über noch größere Entfernungen hinweg zu lesen als Karl. Aber das hat nicht viel zu bedeuten; trotzdem muß ihm der Drache verhältnismäßig nahe sein.« Walter hob die Achseln. »Jason kann in vier, fünf Tagen eine große Strecke zurücklegen. Ellegon wagt sich nicht in die Nähe von Städten; die Gefahr ist zu groß, daß man ihn vom Himmel schießt.«
Ahira nickte. »Gehen wir davon aus, daß er zumindest in Wehnest Halt macht. Vielleicht können wir ihn dort einholen - wir nehmen einiges von dem Kram der Sklavenhändler und spielen Kaufmann.«
Aeia stellte ihren Teller hin. »Mir recht.«
Bren und Walter meldeten sich beide zu Wort. »Du kommst nicht mit«, verkündeten sie einstimmig.
»Wirklich? Wie interessant.« Aeia neigte den Kopf zur Seite, als sie zu Ahira hinüberschaute; es war eine von Andreas Angewohnheiten. »Glaubst du auch, daß ich nicht mitgehe?«
Auch wenn es Ahira nicht gefiel, er wußte so gut wie jeder andere, daß er nicht über die Autorität verfügte, sie zurückzuhalten. Außerdem handelte es sich hier um eine Familienangelegenheit.
»Aeia«, mahnte Walter, »du kommst nicht mit. Ende der Diskussion.«
Sie richtete den Blick in die Dunkelheit. »Hast du meinen Vater je über Drohungen reden gehört, Onkel Walter?«
Walter runzelte die Stirn.
»Er behauptet«, fuhr sie fort, »wenn man sie so ausspricht, daß sie hart und glaubhaft klingen, dann braucht man sie fast niemals wahrzumachen. Also ...« Sie musterte ihn gelassen. »Wenn du mich bei dieser Sache nicht dabeihaben willst, dann holst du dir am besten drei oder vier starke Männer, die mich in Ketten legen, denn er ist mein kleiner Bruder, und ich lasse mich nicht abschieben.« Sie legte eine Hand an den Kolben ihrer Pistole. »Und sie sollten verdammt nicht am Leben hängen, denn sobald ich die Ketten los bin, werde ich sie
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