Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
verschwanden, wenn sie auf die schwarze Mauer trafen.
Sie murmelte einen weiteren Zauberspruch und ein Donnergetöse erscholl, das Ahira in den Ohren dröhnte. Aber der Donner schlug nutzlos und harmlos gegen die Schwärze.
Sie trat einen Schritt zurück und sah sich suchend um, als ob sie nicht überlegen würde, ob sie weglaufen sollte, sondern wohin. Andrea schüttelte den Kopf. Schwarzes, von Silberstreifen durchsetztes Haar wehte um ihre Schultern. Ihre Augen waren fest verschlossen.
Ahira konnte sie wegen des Donners nicht hören, aber er brauchte ihre Worte auch nicht zu verstehen.
Ahira bemerkte, daß das Fensterbrett unter seinem Griff zersplitterte. Er zwang sich, die Hände zu lösen. Das Fensterbrett zu zerstören führte zu nichts. Verdammt, er hatte sich schon wieder geirrt. Er hatte angenommen, daß ein Zauberer nicht wußte, wie weit man die Magie treiben konnte, welcher Augenblick ihm den Verstand rauben würde und wann er sich selbst opferte.
Zweifellos wußte Andrea, daß ihr nächster Zauberspruch sie mehr als Blut und Tränen kosten würde.
Sie richtete sich gerade auf, straffte die Schultern und schlug eine neue Seite im Buch auf. Sie las langsam und sorgfältig, während sie das Auge mit erhobener Hand emporhielt. Sie streckte den Zeigefinger aus und berührte die Schläfe so, als wollte sie sagen: Ich werde dich damit füttern.
Ihre rechte Hand glühte, als sie sie auf die schwarze Mauer richtete. Sofort begann die Mauer zu schmelzen. Sie warf das Auge in Richtung der flimmernden Botschaft und fiel dann auf die Knie, das Gesicht in den Händen. Ihre Schultern zuckten.
In weiter Ferne sprach eine Stimme langsam und bedächtig in der Art, wie Elfen es tun. »Ich glaube, ich sehe es.«
»Laß dich nicht in Versuchung führen«, antwortete eine andere. »Nimm das hier und versiegle es vollständig.«
Die Welt explodierte in Helligkeit; dann verschwand sie.
»Tu es!« sagte ich.
Das Große Auto ließ den Motor noch einmal aufheulen. Die Reifen quietschten auf den Steinen, und der Gestank von verbranntem Gummi stieg mir in die Nase.
Es raste ein letztes Mal in ihn hinein. Dampf drang aus dem zerstörten Kühler und vermengte sich mit dem Nebel, als der Wagen das, was von Boioardo noch übrig war, gegen die Wand schleuderte. Der Wagen setzte zurück und ließ den zerschmetterten Körper blutig und tot zurück. Wenn ich es nicht gewußt hätte, wäre es mir unmöglich gewesen zu sagen, was er einmal gewesen war.
Langsam und stockend wendete der Wagen und fuhr auf mich zu. Ein verbeulter Kotflügel stieß mich zart an, als wollte er mich fragen, ob es mir gutgehe.
Der Ort verschwand um mich herum.
Ich hatte kaum noch Zeit, meine Hand auf seine kalte Metallflanke zu legen. Zwar hatte ich noch nie mit ihm geredet, aber er würde mich schon verstehen, egal wie ich es sagte.
»Danke dir, mein guter und treuer Diener.«
Und dann wirbelten die Nebel empor und wuschen alle Spuren meines Bewußtseins fort.
Kapitel siebenundzwanzig
In dem wir uns trennen und zwei von uns heimwärts ziehen, na ja, Holtun-Bieme-wärts
Jede Trennung gibt einen Vorgeschmack des Todes ...
- ARTHUR SCHOPENHAUER -
Wenn du einem Freund Lebewohl sagst, dann geh davon aus, daß einer von euch sterben wird, bevor ihr euch jemals wiederseht. Wenn du etwas ungesagt lassen willst, gut ... aber mach dich darauf gefaßt, es für immer ungesagt zu lassen.
- WALTER SLOWOTSKI -
Ich kann mich nicht darauf besinnen, wie wir dorthin gelangt sind. Wieder auf dem Plateau über Ehvenor zu stehen, war das nächste, woran ich mich überhaupt erinnerte. Es kam mir vor, als wären wir mit einem Auto-Piloten unterwegs gewesen. Das war wohl eine Schockreaktion, und meine ausgedehnte Sammlung von Beulen und Quetschungen zeigte, daß ich mehr als nur ein paar Schläge auf den Kopf erhalten hatte.
Nein, ich erinnerte mich wirklich an rein gar nichts. Ahira und ich sprachen über die letzten Ereignisse, während ich in die Ferne blickte. Andrea, in eine wollene Decke gehüllt, lehnte sich gegen Jason und schluchzte.
Wir waren zu siebt. Einige saßen, die anderen standen. Das Feuer brannte in unserem Rücken, und vor uns lag der zerstörte Haufen dessen, was sich einmal eine Stadt genannt hatte.
Die drei Sklavenjäger waren geflohen oder hatten einfach nur beschlossen zu gehen.
Ehvenor flackerte nicht mehr, und die Unmenge Kreaturen, die durch die Transformation herbeigeflimmert waren, wurden ohne Umschweife in dieser Ebene
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