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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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die Straße reichende Wand, die sich unten bis zur Erde und oben bis in den Himmel erstreckte.
    Durchscheinende Hände kamen aus der Wand, die Andrea vor- und zurückstießen. Einige packten ihre Gewänder aus Nebel und Licht, und andere schlanke Finger machten sich an ihren Haaren zu schaffen. Die kleinen Finger packten fester zu, als sie mehr Substanz bekamen.
    Sie schlug eine andere Seite des Buches auf und zögerte einen Augenblick, nur einen Augenblick, bevor sie zu lesen begann.
    Ihre Lippen murmelten Worte, an die man sich niemals erinnern würde. Sie klemmte das Buch unter den Arm und berührte ihr linkes Handgelenk leicht mit dem rechten Zeigefinger.
    Einige Blutstropfen rannen ihren Arm hinunter. Es waren dicke, rote Tropfen, die alle golden leuchteten, als sie zu Boden fielen.
    Sie formte die linke Hand zu einer Schale. Die Blutstropfen liefen an ihrem Handgelenk hinunter und sammelten sich in der Handfläche. Als die Hand so voll war, daß die Goldtropfen über den Rand rollten, hob sie die Hand und schüttelte sie ein-, zwei-, dreimal. Ein Schauer goldener Tropfen zerschmetterte die Geisterhände zu einem Nebel und schleuderte sie in das Nichts.
    Das Auge hoch erhoben und das Buch wieder aufgeschlagen in der anderen Hand, machte die Weiße Andrea einen weiteren Schritt vorwärts.
    »Falsch, Boioardo«, sagte ich. »Du hast verloren.«
    Es kostete nichts extra, mit tapferen Worten auf den Lippen zu sterben, aber ich war nicht im Begriff zu sterben, jedenfalls nicht hier und nicht jetzt. Es war sein eigener Fehler, denn er hatte den Ort ausgesucht. Vielleicht hatte er in seiner unmenschlichen Grausamkeit gedacht, daß es amü sant wäre, mich hier an diesem Ort, meinem Ort zu erledigen. Aber seine Arroganz hatte ihn selbst hereingelegt.
    Dies war mein Ort.
    Zuerst glaubte er mir nicht. Dann verschwand sein Lächeln, und seine Augen weiteten sich. Auf der Suche nach einem Fluchtweg schaute er von einer Seite zur anderen, aber es gab keinen. Auf der einen Seite befand sich die Mauer, und von der anderen Seite näherte sich etwas aus dem Nebel.
    Boioardo versuchte zu betrügen, er versuchte sich zu verwandeln, aber es war zu spät für ihn, weil er zu langsam war. Bei anderen Verwandlungen war er schon schneller gewesen, doch nun versuchte er zu viele Veränderungen auf einmal.
    Schlecht für ihn. Du kannst dem Großen Auto nicht entgegentreten, wenn dir zu viele andere Dinge durch den Kopf gehen.
    Er war beinahe der letzte u nd der absolut beste der serien mäßig hergestellten Straßenkreuzer. Ein riesiger Wagen, der von den dreihundert Pferdestärken seines V-8-Motors angetrieben wurde, was mehr als genug für diese Aufgabe war. Ein Monster von einer Acht-Zylinder-Maschine, das wie ein Löwe röhrte. Zweifarbig. Schwarz und gelb wie eine Hummel. Ein Rundumwindschutz, gebogene Kotflügel und ein Heckteil, das groß genug war, um darauf zu zelten.
    Die Reifen quietschten, als es ausscherte, um mich nicht zu treffen. Tonnen schwarzen und gelben Stahls schossen röhrend aus dem Nebel und krachten gegen Boioardo, der rückwärts gegen die Wand geschleudert wurde.
    Er versuchte aufzustehen, aber das Große Auto legte den Rückwärtsgang ein. Die Reifen qualmten, als es zurücksetzte. Dann schaltete der Wagen und sprang vorwärts, um Boioardo erneut gegen die Mauer zu schmettern. Der Stahl knirschte, als die Wucht des Aufpralls den Kühlergrill eindrückte und die Windschutzscheibe zerspringen ließ.
    Es hatte Boioardo mitten in der Verwandlung erwischt. Blutig und zerschlagen erhob er sich noch einmal, doch er war zu angeschlagen, um sich noch auf eine weitere Verwandlung konzentrieren zu können. Seine Finger verbogen sich an den unmöglichsten Stellen, als er seine gebrochenen Hände hochriß, um sich zu schützen.
    »Nein, bitte nicht.«
    Selbst wenn ich Mitleid gehabt hätte, wäre ich nicht dazwischengegangen, und ich hatte kein Mitleid. Man kann nicht herumziehen und mit den Menschen umgehen, als wären sie Spielzeug, und dann noch Sympathie von mir erwarten. Man zerreißt keinen, den ich liebe, in blutige Fleischstücke und bittet dann um Gnade.
    »Tu es«, sagte ich.
    Die Luft vor Andrea verfestigte sich zu einer schwarzen Mauer, die Andrea von der flimmernden Botschaft trennte.
    Sie streckte die rechte Hand aus, die Hand, die das Auge hielt, und drückte es, wobei ihre Lippen niemals ganz aufhörten, sich zu bewegen. Licht umspielte ihre Fingerspitzen. Kalte, lautlose, rotweiße Kugeln, die

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