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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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nur noch etwas Staub, ein bißchen Asche und ein wenig Ruß übrigblieb, der sich von ihrem Kleid löste, als sie einen weiteren Schritt vortrat.
    ... und stolperte hinein in den glühenden Nebel, die Steinfliesen hart unter meinen Knien, ein entferntes Brüllen in meinen Ohren. Ich kam auf die Füße und war mir nicht sicher, in welche Richtung ich rennen sollte. Zu meiner Rechten konnte ich eine Mauer eher fühlen als sehen, aber der Nebel um mich herum war so dick, daß genausogut viele Kilometer freien Raums oder ein lauernder Abgrund in jeder anderen Richtung liegen konnte.
    O Gott, Andy, beeil dich, was immer du auch tust. Es wäre schön, gerade noch rechtzeitig gerettet zu werden.
    Vielleicht konnte ich die Mauer hochklettern. Falls Boio ardo mir folgte, konnte ich mich auf ihn fallen lassen. Auch wenn er doppelt so stark war wie ich, so war er doch nicht unverwundbar. Wenn ich hoch genug kam, würde mir das den nötigen Schwung verschaffen, um so hart auf ihm zu landen, daß ich ihn tot oder bewußtlos zu Boden schmettern konnte, bevor er die Begrenzungen des Fl eisches abzuwer fen vermochte, das er angenommen hatte.
    O ja, aber sicher doch. Vielleicht wurde ich auch noch zur Maikönigin gewählt.
    Der Nebel vor mir lichtete sich und enthüllte eine Reihe von Nischen verschiedener Größe, die in die Mauer eingelassen waren. Es mochten nur zehn sein oder auch Hunderte oder Tausende, die sich im Nebel verbargen.
    In der ersten Nische rechts vor mir stand ein Paar Turnschuhe.
    »Ach, du heilige Scheiße.«
    Es waren nicht einfach irgendwelche Schuhe. Es waren meine alten Turnschuhe, die ersten, die ich jemals gehabt hatte, oder zumindest die ersten, an die ich mich erinnern konnte.
    Stash hatte immer gern Ware mit kleinen Fehlern gekauft und ein paar Schuhe einer bekannte Marke ausgesucht - Nike vielleicht -, die der Hersteller ausgesondert hatte, weil sie eine unsaubere Naht im Oberleder aufwiesen. Die schlampige Naht war immer noch da - ein wenig schief, aber nicht weiter störend -, und genauso war da der kleine Fleck an der Sohle, direkt unter der Hacke, wo jemand, wahrscheinlich Prüfer Sieben, sehr säuberlich das kleine Markenzeichen der Turnschuhe entfernt hatte, als er sie aussortierte.
    Der gleiche blaue Streifen entlang der Gummisohle, dieselben flachen Baumwollsenkel, genauso sauber und weiß wie am ersten Tag.
    Sie erinnerten mich daran, wie ich an einem heißen Sommertag schnellschnellschnell rannte, über niedrige Lattenzäune sprang, in Hinterhöfen herumkletterte, und dies nicht etwa, weil ein verdammter Bernhardiner mich jagte, sondern weil ich zehn war und wir Sommer hatten. Das tut man eben mitten im Sommer, wenn man zehn ist.
    In der nächsten Nische lag ein Füllfederhalter, ein richtiger dicker, tonnenförmiger Füllfederhalter, der mit dem weißen Punkt auf dem Klipp. Und ich wußte genau, wenn ich ihn herausnahm und die Kappe abschraubte, würde er in der schwärzesten aller blauschwarzen Tinten schreiben, denn dies war die Tinte, mit der er an dem Tag gefüllt gewesen war, als meine Mutter ihn mir geschenkt hatte. Es war der Tag, an dem ich zum erstenmal ein Zeugnis mit lauter Einsen und Zweien mit nach Hause brachte. Woher hatte sie wissen können, daß ich zu guter Letzt ein gutes Zeugnis bekommen würde? Hatte sie den Füller meine ganze Grundschulzeit lang aufgehoben?
    Vier Einsen und drei Zweien, so stand es im Zeugnis. Es lag in der nächsten Nische, vollkommen sauber und irgendwie wartend.
    Man brauchte beinahe länger dazu, es zu erzählen, als es zu erleben. Ich glaube nicht, daß ich länger als eine Sekunde vor dieser Mauer gestanden habe, um all das aufzunehmen.
    Mein Teddybär lag in der nächsten Nische: ein häßlicher, ausgestopfter Panda in Schwarz und Schmutzigweiß. Ein Ohr war halb abgerissen, und er hatte glänzende braune Knöpfe von einem alten Mantel als Augen. Er wartete hier genauso geduldig, wie er immer am Kopfende meines Bettes gelegen hatte.
    Bären sind so.
    Boioardo hatte von dem Ort gesprochen, Wo-Nur-Das-Dir-Helfen-Kann-Das-Du-Einma l -Geliebt-Hast.
    Nun verstand ich. Es war bestimmt ein bedeutender Ort in Ehvenor, ja, hier an der Grenze zu Faerie, sicherlich, aber es war auch ein unbedeutender Platz in meinem Kopf.
    Ich habe nun schon einige Jahre gelebt und einige Dinge mehr als nur beiläufig berührt. Wenn du genug Sommertage in deinen Nikes aus dem Sonderangebot herumläufst, dann werden sie zu einem Teil von dir. Dies gilt nicht nur für ein

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