Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
wieder Freunde, wenn auch nur für einen Augenblick. »Laß mich dir zur Hand gehen.« Er streifte seinen Waffenrock ab, löste sein Schwert und hängte es an einen Pfosten. Ich hielt ihm die Bürste hin, noch bevor er die Hand ausstrecken konnte.
Er rieb mit dem Daumen über die harten Borsten. »Ranella schenkt ja doch ihre ganze Aufmerksamkeit der Eisenbahn, und irgend jemand muß sich schließlich um die Verwaltung kümmern«, erklärte er, während er auf der anderen Seite die Stute striegelte. Da sie etwas herumtänzelte und schnaubte, beruhigte er sie, indem er ihr mit sicherer Hand durch die Mähne strich. »Etwas, für das ich ausgebildet wurde, nicht wahr?«
»Jedem das Seine, Bren.«
Sein Lächeln war gezwungen. »Ich habe vor, Aeia zu fragen, ob sie mitkommt.«
»Mach dir deswegen keine Vorwürfe, ich würde sie auch fragen, wenn ich du wäre«, sagte ich.
Er schwieg eine Weile. Manchmal müssen wir mit dem Schweigen leben. »Vielleicht täte es ihr einmal gut, von hier und all den Menschen wegzukommen.«
Ich nickte. »Vielleicht, aber das wird sie entscheiden müssen.«
»Das wird sie wohl.« Er wechselte das Thema. »Ich habe gesehen, daß du heute überhaupt nichts gefangen hast. Hat dir die Jagd trotzdem Spaß gemacht?« fragte er, indem er die Mähne der Stute mit einer Hand fester griff und ihr mit der anderen beruhigend über den Hals strich.
»Es war recht unterhaltsam.«
»Wohl eher das Tun und nicht die Beute, was?«
»So ungefähr.« Ich klemmte mir den Hufreiniger unter den linken Arm und bückte mich, um den Vorderhuf der Stute anzuheben und auszukratzen. Er war vollgestopft mit Pferdedreck und Schmutz, beinahe wie das Leben selbst. Von mir aus hätte ich das nicht so genau genommen - ich bin ein ziemlicher Faulpelz und habe sonst meine eigenen Maßstäbe. Doch es können alle möglichen Hufkrankheiten hervorgerufen werden, wenn man die Hufe nicht gründlich genug reinigt.
Bren streckte die Hand nach dem Hufreiniger aus. Ich reichte ihn rüber und beruhigte das Pferd, während er seinerseits den rechten Vorderhuf bearbeitete. Danach nahm er sich die rechte Hinterhand vor. Ich erledigte die Arbeit am letzten Huf, schlug dem Pferd herzhaft auf die Flanke und schloß die Tür der Box.
»Die Stute kann ruhig in der Pflegebox bleiben, wenn es euch gefällt!« rief der Stallknecht uns zu. Er arbeitete auf der anderen Seite des Stalls an Tennettys Pferd. »Ich muß ihre Box noch ausmisten und erledige das, sobald ich mit diesem Pferd fertig bin.«
»Sie braucht etwas frisches Stroh«, stellte Bren fest.
»Ich mache das schon, Baron ...« Der Stallknecht hörte mitten im Sprechen auf, denn Bren war beinahe schon die Leiter zum Dachboden hinaufgeklettert. Ich eilte hinter ihm her.
Als wir oben ankamen, raschelte es zwischen den Heuballen im Stroh, doch die Stallratten selbst waren nicht zu sehen.
Ställe sind eben Ställe: hier lagen die Heuballen, die mit einer Schnur zusammengebunden waren, zu vier Reihen entlang der Vorderwand aufgestapelt. Bren zerschnitt die Schnur mit einem Heumesser, während ich eine Heugabel nahm, um das Stroh hinunter auf den Steinboden zu befördern.
»Es ist nicht leicht«, bemerkte er, wobei er am Rand des Heubodens stand und gedankenverloren die Klinge seines Messers in Augenschein nahm, »ein Schüler des seligen, großen Karl Cullinane zu sein.«
»Davon habe ich auch schon gehört.«
»Man muß sich verändern, verstehst du?« Nun war sein Lächeln überhaupt nicht mehr freundlich. »In früheren Zeiten wäre es einfacher gewesen. Keiner, der nicht meines Standes war, hätte auch nur daran gedacht, etwas zu nehmen, was ich haben wollte, und wenn jemand das getan hätte, so wäre das auch kein Problem gewesen.« Er schlug auf die Stelle seines Gürtels, wo sich normalerweise der Griff seines Schwertes befand. »›Alle Menschen sind von Geburt gleich‹, oder was? So war man das nicht gewohnt damals. Keiner, der von niedrigerem Stand war, hätte die Zeit gehabt, so gut mit dem Schwert zu werden, wie ich es war - und noch bin.«
Er verharrte grübelnd, wandte sich dann schließlich ab und steckte das Heumesser zurück in einen Ballen. Dann verschwand er die Leiter hinunter. Er hatte Pferdehaare, Schweiß und Dreck auf Brust und Reithosen. Ich glaube, daß das auch der Grund dafür war, weshalb er beim Weggehen seinen Waffenrock in den Händen trug und sich nicht einmal umsah.
Ich schaute ihm noch eine Weile hinterher, auch noch, als er schon
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