Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
zu spielen?
Aber es waren doch Wölfe gewesen, ihre Spuren fanden sich überall auf dem weichen Boden. Das Rudel war nach Osten in die Wälder abgezogen.
Ahira und Andrea hatten ihre Pferde an den Wagen gebunden und leisteten Tennetty auf dem blutigen Schlachtfeld Gesellschaft. Schwärme von Fliegen wurden von ihnen aufgescheucht.
Der Zwerg zog die Brauen zusammen. »Es sieht so aus, als ob die hintere Hälfte von diesem Ding verschwunden ist, sauber abgebissen.«
Andy hob eine Augenbraue. »Meinst du, so wie Ellegon es tun würde?«
Ahira gab darauf keine Antwort.
Aus der Hütte kam weiteres Rumoren. Tennetty stiefelte hinüber und hämmerte mit dem Gewehrkolben an die Tür. »Rauskommen, alles raus! Sofort! Wir haben mit euch zu sprechen«, befahl sie. Man kann sich immer darauf verlassen, daß Tennetty genau weiß, wie sie die Dinge anzupacken hat.
Ich hätte geschworen, daß dieser Schafstall nicht mehr als drei, vier Leute aufnehmen konnte, aber in wenigen Minuten stand eine siebenköpfige Familie nervös im Schmutz. Die Mutter hielt ein Baby in den Armen. Die jüngste Tochter - niedlich, wenn man vom Dreck absah; in dem Alter verstehen sie es wirklich, niedlich auszusehen - preßte ein flatterndes Huhn an sich.
Tennetty bückte sich und verschwand im Haus. Ich wünschte, sie würde ihre Pläne absprechen, bevor sie diese in die Tat umsetzte. Solche Situationen können zu Todesfallen werden. Aber sie kam lachend heraus - nicht einfach kichernd, sondern aus vollem Hals lachend. Mit einer Hand hielt sie sich den Bauch. Ich befürchtete schon, sie würde ihre Waffe fallenlassen. »Mann«, brachte sie zwischen zwei Lachanfällen heraus, »die haben eine ... Kuh da drin und eine Ziege, und ich glaube, die haben einige ... Hühner im Keller.«
Ahira und Andrea standen bei der Familie und versuchten, sie zu beruhigen. Ich hatte den Eindruck, daß für sie die Gesellschaft einer Horde bewaffneter Fremder weder normal noch besonders anheimelnd war.
Andererseits kann Andrea, wenn sie ihr Lächeln aufsetzt, mit ihrem Charme Rinde von einem Baum schälen.
»Seid alle gegrüßt«, sagte sie, »wir sind gekommen, uns um euer Problem mit den Wölfen zu kümmern. Der Baron hat uns geschickt.«
»Der alte oder der neue?« fragte die Frau, sowohl uns als auch dem Gedanken mißtrauend, daß die Herrschaft sich um die Bestien kümmern würde.
»Der neue«, behauptete Andrea, »Baron Cullinane. Wir arbeiten für ihn. Tennetty, Daherrin, Worelt und Lotana«, stellte sie uns der Reihe nach vor.
Für einen Moment war ich beunruhigt. Andrea hatte immer einen unglückseligen Hang zur Aufrichtigkeit. Und drei von uns waren in der Gegend von Eren ziemlich bekannt. Das kann sehr hilfreich sein, aber meistens bringt es Ärger: jede Menge Idioten hätte gern mal herausgefunden, was es ihr einbringt, die frühere Kaiserin von Holtun-Bieme festzuhalten. (Den Tod würde es ihnen einbringen, hoffe ich. Aber vielleicht wissen sie das nicht, oder vielleicht kümmern sie sich nicht um meine Hoffnungen.) Und viele der Typen würden gern herausfinden, ob sie mit dem Kurzschwert besser als Einauge-Tennetty oder schneller mit dem Messer als Walter Slowotski sind. (Klar, natürlich sind wir beide besser, aber man wird verstehen, daß ich keine Lust habe, das andauernd zu demonstrieren.)
Andy hatte mit dem richtigen Instinkt gehandelt, als sie für uns drei falsche Namen nannte, aber nicht für Tennetty. Tennetty war in ihrem eigenen Reich einigermaßen berühmt - Kriegerinnen waren nicht sehr häufig, besonders nicht solche mit einem Auge -, und ihr einen falschen Namen zu geben, hätte den Verdacht aufkommen lassen, daß wir anderen auch unter falscher Flagge reisten.
Der Mann beugte sein Haupt. »Ich bitte Euch um Verzeihung, aber ...«
Seine Frau schüttelte schnell den Kopf. »Nein.«
»Ich habe sie gesehen«, beharrte er.
»Wie viele?«
»Ein halbes Dutzend, vielleicht mehr. Wölfe, ja, aber ...«
»Aber was?«
»Da war noch etwas«, antwortete er.
Andys mildes Lächeln wurde breiter. Ich glaube, sie versuchte ermutigend auszusehen, aber sie sah belustigt aus.
»Und was soll das gewesen sein?«
Er gestikulierte. »Es sah wie ein Wolf aus, genau wie ein Wolf, aber es war keiner.« Die Worte kamen schnell, wenn auch holperig. »Ich habe gesehen, daß es kein Wolf war, ganz bestimmt. Es war größer, und es bewegte sich komisch. Es war kein Wolf, es sah nur wie einer aus.«
Ich machte einen Versuch. »Was meinst du damit? Es
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