Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl vor einigen Wochen beschlossen, die Reichsinsignien dem Vatikan zu übereignen. Die Lanze ist als eine der Reichsinsignien für uns eine sehr bedeutende Reliquie, und wir sind froh und dankbar, dass wir die Lanze erhalten können.«
»Ganz umsonst?«, argwöhnte Huber und lachte mit einem Hauch von Zynismus.
»Nun, der Vatikan wird sich im Gegenzug mit einer Spende für die Stadt Wien erkenntlich zeigen.«
»Sie meinen, Sie wollen sie kaufen?«, fragte Huber.
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Wichtig ist nur, dass der Papst der Auffassung ist, die Lanze des Herrn müsse nach all den Irrungen der Jahrhunderte, endlich hier im Vatikan den Ort ihrer Bestimmung finden.«
Raphaela schaltete sich erneut ein. »Es gibt doch noch mehr Lanzen. Warum beansprucht der Vatikan nicht eine Lanze aus kirchlichem Besitz, zum Beispiel die in Armenien oder die in Polen. Warum muss es die aus der weltlichen Schatzkammer der Habsburger sein? Sie wissen doch sicher auch, dass diese Lanze weder die Lanze ist, mit der der Legionär Jesus durchbohrt hat, noch dass der angebliche Nagel darin tatsächlich jener ist, mit dem Jesus am Kreuz angenagelt wurde.«
Gambrioni stemmte seine Fülle aus dem Sessel hervor und schritt in dem prunkvollen Zimmer auf und ab. Er verschränkte die Arme dabei hinter dem Rücken und heftete den Blick nachdenklich auf den edlen Perserteppich. »Das ist schon richtig.« Er blieb stehen und hob die Hände. »Dennoch hat die Wiener Kopie sozusagen stellvertretende Funktion. Solange nicht die echte Lanze aus der Zeit Jesu gefunden wird, rückt jene an deren Stelle. Sie hat eindeutig den größten kirchlichen Bezug: Die Geschichte der Kirche ist sehr eng mit der Geschichte dieser Lanze verbunden.«
Huber unterbrach ungeduldig die Ausführungen des Kardinals. »Sie haben uns noch immer nicht gesagt, wer ein ebenso großes Interesse an der Lanze hat wie Sie.«
Gambrioni rieb sich wieder die Hände. Man spürte, dass ihm diese Unterhaltung unangenehm wurde. »Na schön, dann werde ich Sie aufklären. Ich dachte mir schon, dass ich es Ihnen erzählen muss.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause und holte tief Luft. »Es gibt seit vielen Jahren eine dunkle Strömung, eine Art Bewegung, die uns große Sorgen macht. Sie ist in den letzten Jahrzehnten sehr mächtig geworden, doch der Geist, der ihr innewohnt, ist seit jeher derselbe.«
»Es wäre schön, wenn Sie sich etwas klarer ausdrücken könnten, Kardinal.«
Gambrioni sah Huber an, nickte und fuhr fort. »Die Bewegung nennt sich ›THE Lu‹.«
»Ich habe davon gehört«, warf Raphaela ein und beugte sich vor. »Eine weltweit wohltätige Organisation.«
Gambrioni lachte spöttisch auf. »Wenn ein Bankräuber mit einem Sack Geld auf dem Rücken eine Bank verlässt und einem Bettler vor der Tür hundert Euro schenkt, dann ist das vordergründig auch wohltätig. Aber es stimmt: Diese Leute tarnen sich gern mit einem karitativen Outfit, spenden bei unzähligen Projekten und verfügen über ein unglaubliches Kapital.«
»Was haben ›THE Lu‹ mit der Heiligen Lanze zu tun?«, fragte Huber interessiert.
Gambrioni ging zu einem barocken, prächtig verzierten Schreibtisch und zog aus der obersten Schublade ein Dokument hervor. Er behielt es aber zunächst in der Hand, als wolle er ein letztes Mal überlegen, ob er es tatsächlich riskieren könne, das wohlgehütete Geheimnis preiszugeben. Bedächtig ging er auf die beiden Besucher zu, setzte sich und legte das vergilbte Dokument auf seinen Schoß. Seine feuchten Finger klebten an dem Papier fest. »Sie stehen mit dunklen Mächten in Verbindung. Sie streben die Weltherrschaft an, wie damals die Nazis.«
Eine bedrückende Stille herrschte im Raum, und Huber und Raphaela konzentrierten sich auf die Ausführungen des Priesters. Erneut stand Gambrioni auf und ging zu seinem Schreibtisch. Dort holte er fünf kleine unbeschriebene Notizblätter aus einer dafür vorgesehenen Schachtel hervor. Auf jedes dieser Blätter schrieb er einen Buchstaben. Dann ging er zu den beiden Gästen zurück. »Sehen Sie hier.«
Huber und Grassetti reckten ihre Hälse vor, während der Kardinal die fünf Zettel mit je einem Buchstaben bekritzelte und auf dem Tisch verteilte. »Ein H, ein L, ein U, ein T und ein E. Nun setzen Sie die Buchstaben zu ›THE Lu‹ zusammen.«
Schnell erfüllte Raphaela die gestellte Aufgabe. »Nun mischen Sie das Ganze bitte und versuchen, einen anderen Begriff damit zu
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