Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
hier ist wirklich beeindruckend.«
»So geht es vielen, die diesen Ort zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. Warte erst mal, bis wir drinnen sind. Schade, dass du dich nicht so sehr für Kunst interessierst.« Huber sah Raphaela an und spürte, wie sich eine warme, peinliche Röte auf seinen Wangen breitmachte. Die junge Frau gab sich den Anschein, als bemerkte sie es nicht. Sie wollte ihn nicht noch mehr in Verlegenheit bringen. Nachdem Huber sich sattgesehen hatte, gingen sie zu einem Seiteneingang des Vatikans, der von einem dicken Eisengitter gegen unerwünschte Besucher abgegrenzt war. Sie winkte jemanden heran. Sogleich näherte sich ihnen ein Mann in Uniform, der zur Schweizer Garde gehörte. Raphaela sprach mit ihm, worauf der Gardist in sein Häuschen ging, dort mit jemandem telefonierte und anschließend das Tor für die Besucher öffnete.
Sie traten durch das imposante Tor, und der Gardist wies sie an, zum Hauptgebäude zu gehen. Kurze Zeit später kam ihnen ein Mann entgegen, den Huber wegen der Soutane für einen Priester oder Mönch hielt. Der Würdenträger begrüßte die Ankömmlinge freundlich. »Buon giorno. Sie werden schon erwartet. Mein Name ist Pater Vincento. Ich bringe Sie zu Kardinal Gambrioni. Er ist der Pressesprecher des Vatikans.«
»Wird es eine Möglichkeit geben, eine Audienz beim Heiligen Vater zu erhalten?« fragte Raphaela und Huber wunderte sich, wie unterwürfig ihre Stimme auf einmal klang.
»So weit ich weiß, ist das für heute nicht vorgesehen. Der Heilige Vater hat sehr viele Termine, wie Sie sich vorstellen können. Ich vermute, Kardinal Gambrioni wird Ihnen genauso gut weiterhelfen können.«
»Wissen Sie, aus welchem Grund man uns nach Rom geholt hat?«, fragte Huber in einem ganz normalen Umgangston. Raphaela schaute sich zu ihm um, mit einem Blick, der wahres Entsetzen widerspiegelte.
»Nein, das tut mir leid. Ich bin darüber nicht eingeweiht.«
Sie gingen sieben Stufen hinauf und betraten den Eingangsbereich des Vatikans. »Wenn Sie hier bitte einen Moment warten würden. Darf ich Ihnen nach Ihrem langen Flug eine Erfrischung servieren?«
Raphaela schüttelte den Kopf. »Nein danke.«
»Doch, ja bitte. Sehr gern. Haben Sie Mineralwasser?«, fragte Huber.
Der Pater schmunzelte und ahnte, dass er einen Menschen vor sich hatte, der keinerlei Erfahrung im Umgang mit Vertretern der Heiligen Katholischen Kirche hatte. »Natürlich. Ich bringe es Ihnen sofort.«
»Ich bin wirklich gespannt, was man hier von uns will. Es muss dem Vatikan ja ziemlich wichtig sein, sonst würden sie uns nicht antanzen lassen.«
Huber und Grassetti saßen einige Zeit nebeneinander auf einer hübschen Wartebank aus Holz. Es war angenehm kühl in dem Foyer. Raphaela hatte ihre Beine übereinandergeschlagen und schaute geradeaus. Kurz darauf erschien der Pater und überreichte Huber das Glas Wasser. Der setzte es an und trank es hastig aus. Dann streckte er dem Pater das leere Glas entgegen, als stünde ein Kellner vor ihm. Der Mann entfernte sich stumm und ließ die beiden wartend zurück.
Raphaels sah Huber grimmig von der Seite an. »Würde es dir sehr schwer fallen, in diesen Räumen etwas mehr Pietät zu zeigen? Wir sind hier im Vatikan, falls dir das entgangen sein sollte.«
»Wieso? Das sind doch auch nur Menschen, oder nicht? Ich hatte eben Durst bei dieser Affenhitze.«
»Aber es sind heilige Menschen, das ist der Unterschied.«
Huber schnitt eine Grimasse. »Meinst du nicht, dass du ein wenig übertreibst mit deiner Frömmigkeit? Du erhöhst die Leute in einer Weise, die ihnen, meiner Meinung nach, einfach nicht zusteht. Vertreter Christi auf Erden! Nun mach mal einen Punkt. Ich bin vielleicht kein Akademiker, aber ich habe auch Geschichte in der Schule gehabt. Und ich erinnere mich gut an die Kreuzzüge, in denen Millionen Menschen im Namen der sogenannten ›Heiligen Mutter Kirche‹ abgeschlachtet worden sind.«
Raphaela wechselte die Beinposition und wandte sich von Huber ab. »Das waren eben andere Zeiten.«
»Ach ja, und die vielen aktuellen Berichte über homosexuelle Priester, die sich an kleinen Jungs vergreifen? Was ist mit denen? Ist das auch eine andere Zeit?«
Ihr Kopf färbte sich rot, und sie presste die Lippen aufeinander. Sie suchte nach passenden Worten, fand sie jedoch nicht. So sagte sie schließlich verärgert: »Ich weiß gar nicht, wieso ich so dumm gewesen bin, mit dir mitzukommen.«
»Ich habe dich nicht darum gebeten, schon vergessen? Was hast du
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