Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
süßestes Lächeln auf und begrüßte den Portier an der Rezeption. Eine Weile redeten die beiden freundlich miteinander, doch plötzlich schlug das Gespräch in einen hektischen italienischen Streit um. Abrupt drehte sich Raphaela zu Alois um. »Verdammter Mist. Es sind doch keine Einzelzimmer mehr frei. Eine deutsche Reisegruppe mit vielen alten Leuten ist vor einer halben Stunde eingetroffen, und jeder von denen wollte ein Einzelzimmer. Es ist nur noch ein einziges Doppelzimmer frei, und das hat noch nicht mal Blick auf den Brunnen. Sie drehte sie sich zur Rezeption um. Huber gesellte sich zu ihr.
»Es tut mir leid, ich kann ihnen leider nichts anderes anbieten als dieses Doppelzimmer. Alle Einzelzimmer sind ausgebucht, und das Doppelzimmer ist auch nur deswegen soeben frei geworden, weil andere Gäste einen Tag früher nach Assisi abgereist sind. Wo ist das Problem, Signor e Signorina?«
Raphaela schien die Situation peinlich zu sein. »Wir sind nur ... Kollegen.«
Der Portier machte eine einladende Geste. »Ach kommen Sie. Sie sind doch erwachsene Leute.«
Raphaela und Huber sahen sich fragend an und man spürte, wie unangenehm ihnen der Gedanke war, miteinander ein Zimmer teilen zu müssen. Raphaela gab sich einen Ruck. »Los komm, wir nehmen das Zimmer. Er hat recht. Es ist ja nur eine Nacht.«
Huber nickte. Daraufhin bedachte der Portier die beiden mit einem schelmischen Grinsen und händigte ihnen den Schlüssel aus. Sie schleppten ihre Taschen die Treppe hoch und schlossen das Zimmer auf. Huber hatte gehofft, zwei Betten vorzufinden, zu seiner Enttäuschung stand da ein klassisches Ehebett mit einer großen Bettdecke.
Raphaela erahnte seine Gedanken. »Das ist hier so üblich in Italien. Nicht wie in Österreich, wo jeder seine eigene Decke hat.«
Huber grunzte. Die Situation war ihm nicht nur unangenehm, er hatte beinah Angst vor dieser unerwarteten Nähe. Er war seit zwei Jahren von seiner Frau getrennt und hatte seitdem, abgesehen von einer kleinen Affäre, keinen intimen Kontakt zum weiblichen Geschlecht gehabt. Und nun sollte er, so mir nichts, dir nichts, neben einer extrem hübschen, wohlgeformten jungen Frau schlafen, als sei sie seine Schwester. Er fügte sich in sein Schicksal, nahm sich aber vor, die Stunden des Abends solange mit italienischem Wein zu verbringen, bis alle Hormone außer Funktion gesetzt waren.
XXIV
Vor Mosche, Lea und dem Professor lag eine Halle, die etwa die Größe von drei Fußballfeldern hatte und in deren Mitte eine gewaltige gläserne Kuppel stand. Um die Kuppel herum waren Hunderte von Aggregaten aufgebaut, die, wie Petrov ihnen später erklärte, Energie potenzierte; ein gigantisches Kraftwerk, das für rund 10 000 Dollar Strom am Tag verspeiste. Vor den Maschinen standen rund 25 Personen, die an diversen Knöpfen und Schaltern hantierten. Weitere zwanzig oder mehr verrichteten andere Aufgaben oder flitzten in ihren weißen Kitteln auf Elektro-Mikrorollern durch die riesige Halle. Die Kittel wehten hinter ihnen her und brachten die Neuankömmlinge zum Schmunzeln.
Ihnen eilte ein Mann entgegen, dem sie auf der Straße, falls er an einer Hauswand gelehnt hätte, einen Dollar in den Hut geworfen hätten. Professor Petrov hatte eine lange graue Mähne, die ein dünnes rotes Gummiband im Nacken zähmen sollte, und auf seiner Nase ruhte eine Nickelbrille aus der Zeit John Lennons. Den Bart stutze er aus Zeitgründen nur einmal im Monat, und eine Zahnlücke im noch sichtbaren Bereich war entweder auf Angst vor Zahnarztbesuchen oder auf mangelnde Zeit für solche zurückzuführen. Eigenartigerweise sahen sich die Leute an den Geräten alle relativ ähnlich: Sie waren bärtig oder zumindest unrasiert, ungekämmt, aber dafür voller Energie und mit stechendem Blick.
Petrov war ein hektischer Mann. Pausenlos fummelte er mit den Händen an seinem Kittel herum, griff sich ins Haar oder rückte seine Brille zurecht. Es schien, als hätte er von den Energieaggregaten eine gediegene Portion für sich selbst abgezapft. Er sprach mit einer hohen, femininen Stimme und zog die Blicke auf ein pausenlos überfreundliches Lächeln in seinem Gesicht. »Kommen Sie, meine Damen und Herren, kommen Sie. Sie werden begeistert sein. Wir sind fast am Ziel unserer Träume. Wir müssen nur noch die Frage der Energiegewinnung klären.«
»Ich habe Ihre Artikel in der ›Science of Physicians‹ gelesen, den ersten, den dritten und den in der letzten Ausgabe vor drei Wochen«, erklärte
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