Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
mehr Zeit als für seinen Kumpel.« Petrov winkte ab. »Aber das ist nur der Anfang, meinen Damen und Herren. Kommen wir nun zum Zwillingsproblem. Gemäß der Relativitätstheorie hat jeder Zuschauer sein eigenes Zeitmaß. Also: Zwilling 1 besteigt ein Raumschiff und macht sich mit Lichtgeschwindigkeit auf den Weg zu einer fernen Galaxie, während sein Zwillingsbruder auf der Erde bleibt. Infolge der Bewegung mit dem Raumschiff verstreicht für den Zwilling, der sich darin befindet, die Zeit langsamer als für seinen Bruder, der auf dessen Rückkehr wartet. Der Raumfahrer kehrt irgendwann zu seinem Bruder zurück, und beide stellen fest, dass sie unterschiedlich schnell gealtert sind.«
»Also der Zwilling, der geflogen ist, ist langsamer gealtert. Sehe ich das richtig?«, fragte Mosche.
»Natürlich. So ist es. Relativ gesehen. Bei einer höheren Geschwindigkeit vergeht weniger Zeit, ist doch klar. Nehmen wir ein anderes Beispiel. Angenommen, in einem Raumschiff wird ein Lichtimpuls von der einen Seite zur anderen ausgesendet. Das Raumschiff fliegt in dieselbe Richtung wie das Licht, das es im Inneren emittiert. Dieser Lichtimpuls wird jeweils von einem Menschen auf der Erde und von einem im Raumschiff beobachtet. Selbstverständlich erzielen die beiden keine Übereinkunft darüber, wie groß die Entfernung des zurückgelegten Lichtes war, weil sich das Raumschiff ja bewegt hat: Während der Mann im Raumschiff, sagen wir, fünfzig Meter misst, addiert der Mann auf der Erde dazu die Wegstrecke, die das Raumschiff währenddessen zurückgelegt hat. Das bedeutet, dass unsere Naturgesetze nur dann allen gleich erscheinen, solange die Beobachter auch die gleiche Bewegung haben. Sie erahnen, worauf ich hinaus will? Wichtig ist dabei vor allem, dass Sie sich Folgendes merken: Die Zeit ist relativ zu ihrer Geschwindigkeit, was wiederum bedeutet, dass sich die Zeit verändert, wenn man die Geschwindigkeit variiert.«
»Was wäre, wenn wir theoretisch die Geschwindigkeit auf Lichtgeschwindigkeit erhöhen könnten? Was würde dann passieren?«, fragte Smith in die Runde hinein.
»Dann vergeht die Zeit, für den, der im Raumschiff sitzt, sehr viel langsamer«, wagte Mosche eine Antwort.
»Fantastisch.« Petrov hüpfte fast vor Freude etwas hoch. Er konnte ohnehin nicht einen Moment stillstehen, und schon gar nicht, wenn er sich freute. »Aber nun stellt sich die Frage: Ist das überhaupt möglich? Können wir ein Objekt auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen?« Petrov sah in die unschlüssigen Gesichter, dachte aber nicht im Traum daran, ihnen seine Ergebnisse vorschnell mitzuteilen. Er genoss es, seine Theorie langsam aufzubauen.
»Das ist der Kern von Einsteins Formel, die inzwischen jedes Kind auf der Welt kennt: E = mc2. Mit Lichtgeschwindigkeit wäre man zwar ruck zuck in der Zukunft, aber woher nehmen wir soviel Energie? Nach Einstein ist ›E‹, die Energiemenge, gleich der Masse ›m‹, die beschleunigt wird, und die nimmt bei zunehmender Geschwindigkeit auch noch zu, sie potenziert sich. Die Masse wird also mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit ›c‹ multipliziert. Und das ist unser Problem. Verstehen Sie? Je größer eine Masse ist, desto größer ist die Energiemenge, die man braucht, um sie zu beschleunigen. Das scheint der Grund zu sein, warum es bisher noch niemandem gelungen ist, in die Zukunft zu reisen. Wir sind nicht in der Lage, derart hohe Energiemengen aufzubringen.«
»Entschuldigen Sie die banale Frage: Wie hoch ist Lichtgeschwindigkeit noch mal?« warf Lea schüchtern ein.
»Das ist gar nicht so banal. Lichtgeschwindigkeit meint 300 000 Kilometer pro Sekunde. Damit Sie in etwa verstehen können, wie schnell das ist, versuche ich, das Ganze an einem Beispiel deutlich zu machen. Nehmen wir die gute alte Pioneer 10, die zweifellos schnellste Sonde, die je von Menschen gebaut wurde. Sie befindet sich längst nicht mehr in unserem Sonnensystem und jagt mit circa vierzig Kilometern pro Sekunde durch den Weltraum. Das ist also ungefähr 7 500mal langsamer als Lichtgeschwindigkeit.«
Lea schloss die Augen, um sich von der Größe der Lichtgeschwindigkeit ein Bild machen zu können.
Plötzlich lachte Petrov laut auf. »Wissen Sie, ich sehe zu gerne diese Science-Fiction-Filme, wie ›Stargate‹, ›Time Tunnel‹ oder diese lustige Reihe … Wie hieß die noch?« Er kraulte sich am Kinn. »Ach ja, ›Zurück in die Zukunft‹. Mit diesem Auto, dem De Lorean, der mit 1.21 Gigawatt in die Zukunft
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