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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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Umrisse dreier Gestalten, die auf einem Steinpodest lagen und mit hellen Tüchern oder Ähnlichem bedeckt waren: drei vermutlich gut erhaltene Skelette, sorgfältig aufgebahrt. Wie lange sie hier schon lagen, bedurfte sorgfältiger Untersuchungen, röntgenologischer Analysen und vieler anderer Tests, von denen Mosche zwar einiges verstand, doch es fehlten ihm die Befugnisse, mit den anderen den Fund auszuwerten. Sich von der Gruppe zu lösen, die Gedanken auf den Gottesdienst in der Synagoge zu richten und all dies hier liegen zu lassen, brachte Mosche in einen massiven Konflikt. Das Schlimmste war: Lea hatte recht. Sein Job war erledigt. Das Freilegen einer archäologischen Fundstelle – bis dahin durfte er gehen und nicht weiter. Den Ruhm würden andere ernten. Professoren und Doktoren, Archäologen und deren Helfer. Sie alle würden namentlich in Zeitungsartikeln oder irgendwelchen Dissertationen erwähnt werden, doch »Mosche Kofsman« war ein Name, den man im Internet bei sorgfältigster Recherche niemals finden würde.
    ***
    Schneider schluckte den letzten Bissen seines Brotes hinunter. Es war gespenstisch still in seinem großen Haus. Darum hörte er nur seinen eigenen Atem, als er begann, die ersten Seiten des Tagebuches seines Vaters zu lesen. Er betrachtete die Schrift, die er gut kannte und die ein Leben lang gleich geblieben war. Leise erhob sich die Stimme seines Vaters aus den Seiten und begann zu erzählen:
    12. Febr. 1939
    Heute wurde Papst Pius XI. in Rom beigesetzt. Es gab Schwierigkeiten in der Mechanik des Sargträgers. Eine Stunde Verzögerung.
    3. März 1939
    Weißer Rauch stieg aus dem dünnen Schornstein des Vatikans. Habemus Papam . Die Katholiken haben einen neuen Papst. Es war allerdings zu erwarten gewesen, dass Eugenio Pacelli , ein Italiener, gewählt werden würde. Die Wahl fand in der ganzen Welt großen Anklang, nun, abgesehen von Deutschland. Pacelli gilt zwar als Freund der Deutschen, nicht aber als Freund Hitlers. Hier scheint ein mächtiges Konfliktpotential vorhanden zu sein. Hitler hat offensichtlich den katholischen Glauben verlassen, und ich schätze, er wird sich von Pacelli nicht in seine Politik hineinreden lassen.
    Schneider drehte den Schirm der Lampe zurecht, um die Seiten des Tagebuchs besser auszuleuchten. Sein Puls beschleunigte sich und er konnte es nicht abwarten, weiter zu lesen.
    16. März 1939
    Böse Zungen werfen Hitler einen weiteren Vertragsbruch vor. Die eisige Kälte hat die deutsche Armee gestern nämlich keineswegs davon abgehalten, Böhmen und Mähren zu okkupieren. Der Führer hat in Prag vom Hradschin aus den Anschluss an das Deutsche Reich proklamiert. Er beginnt, seine Visionen vom Großdeutschen Reich in die Tat umzusetzen.
    Schneider schlug erregt die Seite um. Sechzig Jahre alte Zeilen seines Vaters, es war kaum zu glauben. Er würde ihn bei seinem nächsten Besuch im Krankenhaus darauf ansprechen.
    29. März 1939
    Nun arbeite ich auf den Tag genau vier Monate beim »Völkischen Beobachter« in München, nachdem die »Germania« ihre Arbeit aufgegeben hat. Mir ist noch nicht ganz klar, warum eine alte katholische Zeitung wie die Germania schließen musste. Aber wenn ich es mir genau überlege, ist es mir ganz recht. Auf diese Weise kann ich bei einer Zeitung der NSDAP arbeiten und finde endlich die Beachtung, die meine Arbeit verdient. Nur konnte ich leider meinen Roman »Der Speer des Wikingers« noch bei keinem Verlag unterbringen. Es sind unruhige Zeiten.
    Gestern, einen Tag nach meinem sechsundzwanzigsten Geburtstag, erhielt ich tatsächlich einen Anruf vom Führer der Schutzstaffel, Heinrich Himmler persönlich. Mir stockte der Atem, als mein Vorgesetzter, Herr Traunstein, mich ans Telefon rief. Alle Mitarbeiter der Redaktion standen um mich herum und waren neugierig, was der berühmte und für manche auch berüchtigte Nationalsozialist wohl von mir wolle. In pathetischer Manier lobte er meinen letzten Artikel über das alte germanische Reich sowie jenen über den tausendsten Todestag Heinrich des I.
    Himmler war besonders entzückt über die gründliche Recherche, die ich meinen Artikeln zugrunde lege und wollte sich deshalb persönlich bei mir bedanken. Ich kann nicht glauben, dass jemand wie Himmler mich tatsächlich deswegen anruft. Außerdem fragte er nach, ob diesbezüglich weitere Artikel in Arbeit seien, da sie unbedingt dem deutschen Volk als lehrhafte Gesinnungsstütze in diesen Tagen der Wirrungen dienen müssten. Es sei von

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