Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
viele machtbesessenen Menschen vor ihm, fühlte er sich unwiderstehlich zu diesem Wurfspieß hingezogen. Mit ihr verknüpfte er unermesslichen Reichtum, Macht und Sieg über alle Feinde. Ein unsichtbares Band war geknüpft worden, bevor er es bemerkt hatte.
Er dachte an die Mitglieder dieses Ordens, die sich, gelinde formuliert, um ihn bemühten. Lennigan hatte gesagt, Schneider solle die Lanze für den Orden beschaffen. Ähnlich wie bei einer Mutprobe oder einem Aufnahmeritus. Als er über das Gespräch mit Lennigan nachdachte, kam er zu dem Schluss, dass der Mann offen gelassen hatte, wann und wie Schneider die Lanze an sich bringen solle. Er könnte es somit auf seine Weise und zu seiner Zeit erledigen. Und eines war klar: Wenn die Lanze derart machtvoll war, wie Lennigan, die Tagebücher und all die anderen Unterlagen ihm Glauben machen wollten, würde er sie mit niemandem teilen.
Schneider ging in die Küche und bereitete sich eine Mahlzeit. Er war in den letzten Tagen von einem Gourmet zu einem Fastfood-Konsumenten heruntergekommen. Zurück im Wohnzimmer nahm er die Recherchen Blomes zur Hand und rekapitulierte, was er bislang über die Lanze wusste. Es galt herauszufinden, was in den Dokumenten über diese Lanze berichtet wurde? Welche Herrscher und Könige hatten sie besessen, und welche Schlachten wurden mit ihrer Hilfe gewonnen? Die entscheidende Frage aber war: Besitzt die Lanze noch immer magische Kräfte und wie kann man sich diese zu eigen machen? Schneider fand keine Ruhe und in einem Anflug von Wahnsinn studierte er das umfangreiche Material Seite für Seite.
Schließlich traf er eine folgenschwere Entscheidung und wählte mitten in der Nacht die Nummer eines Mannes, der ihn seinem Ziel ein Stück näher bringen sollte. Das Klingeln ertönte sieben Mal, bevor jemand abhob und sich eine schläfrige und verärgerte Stimme meldete: »Bukowski.«
»Wach auf Mann, es ist soweit.«
Es dauerte eine Weile, bis der Angerufene begriff, mit wem er es zu tun hatte. Schneider erwartete, dass ihn jeder sofort an der Stimme erkannte, doch bei Bukowski funktionierte das nur mit Verzögerung.
»Verdammt, Schneider! Sind Sie bekloppt? Was wollen Sie? Es ist halb drei?«
»Was spielt das für eine Rolle, Bukowski? Wenn sie tot sind, können Sie so viel schlafen, wie sie wollen. Es ist Zeit, dass Sie endlich Ihre Schulden begleichen.«
Nun war Bukowski hellwach. Ihm war bewusst, dass dieser verfluchte Tag kommen würde, doch es wäre ihm lieber gewesen, er hätte noch eine Weile auf sich warten lassen. Er schälte sich aus dem zerwühlten Bettzeug und setzte sich auf den Rand des Holzgestells. Mit Maschinendreck unter den Fingernägeln kratzte er sich die fettige Kopfhaut. Er drehte sich zu seiner Nachtgefährtin um und registrierte ihr genervtes Brummen. Sie brauchte nicht alles zu wissen, was sein Leben betraf; und so stand er auf und verließ das Schlafzimmer. »Augenblick, Schneider.«
Schneider wartete ungeduldig.
»So, Mann. Jetzt noch mal. Verdammt, hätte das nicht Zeit bis morgen gehabt? Ist ja toll, dass wir bald quitt sind, aber so dringend …«
»Quatschen Sie nicht so viel. Hören Sie mir zu. Ich möchte, dass Sie ´was für mich erledigen. Wir werden uns morgen ins Flugzeug setzen und nach Wien fliegen. Wir besichtigen ein Museum.«
Bukowski unterbrach ihn. »Nun mal halblang, Mann. Ich kann morgen nicht weg. Ich hab endlich einen Job. Da kann ich nicht wegbleiben.«
Schneider blieb gelassen und amüsierte sich im Stillen über Bukowskis Erregung. Er genoss sie sogar. »Den haben Sie nicht mehr lange, wenn Sie jetzt Theater machen. Sie wissen, dass ein Anruf von mir genügt. Gern auch mitten in der Nacht. Dann wandern Sie für ein paar Jährchen in den Bau und danach gibt es eh keinen Job mehr für Sie.«
Bukowski schluckte und ballte die fleischigen Fäuste. Er war ein Idiot gewesen, sich in der Unterschlagungssache an Schneider zu wenden.«
»Verdammt! Was wollen Sie in einem Museum in Wien?« Bukowski lachte gequält.
»Ich werde Ihnen zeigen, was Sie mir beschaffen werden.«
»Hören Sie, Mann. Das geht ‘ne Nummer zu weit. Ich werde ganz sicher keinen Bruch mehr machen. Auch nicht für Sie! Die Zeiten sind endgültig vorbei.«
»Alles klar. Ich lege jetzt auf und ab morgen können Sie dann immer ausschlafen, kapiert?«
Bukowski begriff, dass Schneider es ernst meinte, und er kannte den Mann gut genug, um zu wissen, dass er nicht bluffte. Seine Beziehungen reichten so weit, dass
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