Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
Bukowski am nächsten Tag auf der Straße oder im Gefängnis sitzen würde. Schneider bräuchte nur mit dem Finger schnippen. »Okay. Wann und wo?«
»Punkt zehn am Flughafen. Wir treffen uns am Eingang Abflug, Halle B.«
Bukowski schrieb die Zeit auf einen Zettel.
Schneider aber legte auf und ging die Treppe hoch in sein Schlafzimmer. Er wusste, dass auf Bukowski Verlass war. Darum hatte er direkt im Internet die Flüge gebucht. Gut, wenn man Kumpel hat, dachte er und legte sich seelenruhig hin. Er schlief sofort ein, während für Bukowski nicht mehr an Schlaf zu denken war. Seine Gedanken kreisten um die Reihenfolge der zu erledigenden Dinge: zum Arzt gehen, sich krankschreiben lassen, seine neue Bettgefährtin von der Notwendigkeit einer Geschäftsreise nach Wien überzeugen und darauf achten, keine Sekunde zu spät zu kommen.
Am nächsten Morgen stand Schneider zehn Minuten vor Zehn am vereinbarten Treffpunkt. Er schaute auf die Uhr, als Bukowski um die Ecke bog und einen gehetzten und übermüdeten Eindruck machte.
»Schön, Sie zu sehen, Bukowski.« Schneider schlug dem Ankömmling auf die Schulter und lachte. Schneider war perfekt gestylt, frisch rasiert, hatte die Haare gegelt und trug die Krawatte passend zum Zweireiher. Die Verwahrlosung der letzten Tage hatte er aufgegeben und zu seiner alten Form zurückgefunden. Zumindest rein äußerlich war er der Alte: ein erfolgreicher Geschäftsmann.
Bukowski trug eine helle Hose, deren Gürtel unter dem Bauch verschwunden war, und ein blaues Hemd keiner besonderen Marke, das arg die Knöpfe aufspannte. Eine dünne schwarze Lederjacke, die sich nicht mehr schließen ließ, bedeckte den muskulösen Oberkörper unzureichend.
Schneider betrachtete das pockennarbige Gesicht und die glänzenden langen, leicht gewellten Haare. »Sie sehen beschissen aus, Harald. Haben Sie nicht gut geschlafen?«
Bukowski erwiderte nichts auf diese Bemerkung und ärgerte sich über Schneiders breites Grinsen. Ihm war klar, dass er diesen Spott die ganze Zeit über würde ertragen müssen, und er verwünschte den Tag, an dem er sich in Schneiders Hände gegeben hatte.
Die ungleichen Männer betraten den Eingangsbereich des Flughafens, in dem nicht so viel los war wie zur Urlaubszeit. Keine Kinder mit überforderten Mütter, sondern Geschäftsleute mit schwarzen oder braunen Aktenkoffern, so wie Schneider einen mit sich führte.
»Der Flug dauert nur zwei Stunden, schaffen Sie das?«
Bukowski blieb abrupt stehen und stellte seinen Koffer auf dem gebohnerten Boden ab. Drohend hob er den Zeigefinger. »Hören Sie Schneider. Sie haben mir geholfen, und ich bedauere es zutiefst, dass Sie es waren, der mich aus der Patsche gezogen hat. Aber deshalb müssen Sie nicht diese dämliche Nummer abziehen. Ich werde meine Schulden bei Ihnen bezahlen, wie auch immer Sie sich das vorgestellt haben und danach möchte ich Ihre Visage nie wieder sehen. Ist das klar?« Bukowski überragte Schneider um mehr als einen Kopf, und seine Muskeln sprachen Bände von Gewalttätigkeit und Gesetzesbrüchen. Schneider fühlte sich keine Sekunde lang eingeschüchtert. Wenn er jemanden in seine Hand brachte, tat er es gründlich.
Er trat einen kleinen Schritt auf Bukowski zu und sah ihn mit eiskalten Augen an. Sie waren zu einem dünnen Schlitz verengt. »Bleiben Sie ganz ruhig, mein Guter. Wenn wir das hier hinter uns haben, ist mir scheißegal, ob Sie mich noch einmal wiedersehen oder nicht. Und wenn Sie das hier versauen, mach ich Sie fertig, darauf können Sie sich verlassen. Haben wir uns verstanden, Bukowski?« Schneider trat einen Schritt zurück und wirkte wieder gelassen. »Ich will nur die Lanze, sonst nichts.«
Bukowski zog die Augenbrauen hoch. Schneider hatte bisher keine Lanze erwähnt. Zumindest wusste er nun, was sie im Museum besichtigen würden.
Während des Fluges sprach keiner der Männer ein Wort. Beiden hingen ihren Gedanken nach. Schneider gönnte sich ein Glas Champagner, und Bukowski kippte ein Bier auf Ex hinunter. Als Schneider Wien unter sich sah, lag ein verschlagenes Leuchten in seinen Augen. Das Flugzeug landete pünktlich, und Schneider und Bukowski gingen die Gangway entlang. Schneiders Gepäck bestand aus dem Aktenkoffer und einem kleinen Bord-Case. Er wusste, dass sie am nächsten Tag wieder abreisen würden, Bukowski hatte er über die Dauer des Aufenthaltes im Unklaren gelassen. Sie kamen aus dem Flughafengebäude heraus und stiegen in ein Taxi. »Hotel Interkontinental,
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