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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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verließ diesen Angestellten des Museums ohne ein »Danke schön« oder Ähnliches. Er hatte keine Zeit für Freundlichkeiten. Stattdessen stieg er die Treppe hinauf, nahm zwei Stufen auf einmal und folgte dem beschriebenen Weg. Bukowski hetzte hinterher. Als er den Raum mit den Reichsinsignien endlich erreicht hatte, verharrte Schneider schweigend vor einer Vitrine. Dem Ort, an dem sie sich befanden, wohnte eine mysteriöse Atmosphäre inne. Es herrschte gedämpftes Licht, jedoch noch genug, um die ausgestellten Schätze gebührend bewundern zu können. Auch fehlten in diesem übergroßen, begehbaren Tresor jegliche Fenster für natürlichen Lichteinfall oder frischen Sauerstoff. Die Luft trocknete die Kehlen der Besucher aus, sie war abgestanden und muffig. Luft, die roch, als sei sie so alt wie die Stücke, die hier ausgestellt wurden. Ihre Schritte erzeugten ein Knarzen wie von alten Holzbohlen unter ihren Füßen, obgleich sie über roten Teppichboden schritten.
    Richards ehrfürchtiger Blick war auf ein Schwert oder eine Lanzenspitze gerichtet, die schräg stehend auf einem purpurnen Samttuch ruhte. Obwohl sie mit einer goldenen Manschette versehen war, wirkte sie grau und schmucklos neben einem großen, wunderschönen und mit Edelsteinen besetzten Kreuz. Was Schneider in der Lanze sah, war weniger eine Sache des materiellen Wertes. Bukowskis dumpfe Augen hingegen klebten an der Fülle des Reichtums. Er träumte nicht von Königen und Herrschern vergangener Epochen, ließ sich nicht in den Bann der Geschichte ziehen wie die meisten Besucher, die vor den Vitrinen verweilten, sondern war geblendet von der Menge an Diamanten, Rubinen und Perlen, die das große Kreuz zierte. Als Schneider ihn ansprach, fand er schleppend in die Realität zurück.
    »Das ist sie«, flüsterte Schneider mit Nachdruck in der Stimme.
    Bukowski stellte sich an Schneiders rechte Seite und sah erst die Lanze und dann Schneiders seltsamen Gesichtsausdruck. Geheimnisvolles lag darin, etwas Unheimliches.
    »Das ist meine Lanze«, zischelte Schneider. »Endlich habe ich sie gefunden.« Er wandte sich abrupt Bukowski zu. »Und Sie werden sie für mich stehlen.«
    Bukowski war unfähig, ein Wort darauf zu erwidern und stieß einen ungläubigen Lacher aus. Als er merkte, dass dies kein geschmackloser Scherz Schneiders gewesen war, trat er unruhig von einem Fuß auf den anderen und rang fieberhaft nach einem Ausweg. Er wollte um jeden Preis seine Schuld bei Schneider begleichen und sah zugleich keine Möglichkeit, an diese Lanze heranzukommen. Er begann, sich in sein Schicksal zu ergeben, und wandte sich Schneider zu.»Die Vitrine ist mit einem Schloss gesichert. Sehen Sie diesen Draht? Der führt garantiert direkt zu einer Alarmanlage. Wie stellen Sie sich das denn vor?«, fragte er und der bittere Duft von Verzweiflung wehte durch den Raum.
    Schneider betrachtete verklärt die Lanze, die Heinrich Himmler, Adolf Hitler und sein Vater in den Händen gehalten hatten und begann in Gedanken Pläne von einer großartigen Zukunft zu schmieden.
    »Schauen Sie sich mal um«, sagte er beruhigend. »Kein Mensch ist hier. Wie sind mutterseelenallein. Wie Sie das anstellen, ist mir egal. Sie haben schon so viele ›Brüche‹ gemacht, wie Sie das nennen … Sie sind ein Profi. Das hier ist eine Kleinigkeit für Sie.« Er bemerkte Bukowskis verzagten Gesichtsausdruck und wiederholte ein zweites Mal. »Sehen Sie hier irgendwo bewaffnete Beamte oder so etwas?«
    »Nicht hier, aber unten war einer.«
    Schneider lachte. »Ja einer, ein uralter«, bestätigte er zornig. »Wo ist das Problem?«
    Bukowski biss auf einem abgekauten Fingernagel herum. Alles an ihm suchte nach einer Möglichkeit, diese verfluchte Lanze zu stehlen. Sein Adrenalinspiegel schwappte über das Maß des Gesunden und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    »Lassen Sie sich doch hier einschließen.« Schneider lachte mit einem hysterischen Unterton. »Das habe ich in einem Roman von Umberto Ecco gelesen. Kennen Sie das Buch? Das Foucaultsche Pendel?«
    Bukowski schüttelte den Kopf. »Sie sind wahnsinnig, Schneider. Ich kann diese Lanze nicht stehlen. Ich komme damit nicht hier raus.«
    Schneider trat dicht an ihn heran. »Sie müssen und Sie werden!«
    Warum, um alles in der Welt, üben diese Worte eine solche Macht auf mich aus?, fragte sich Bukowski, doch er fand keine Antwort. Er wusste, dass es besser war, zu gehorchen. Er war zu abhängig von Schneiders Willkür, und er hatte

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