Hueter Der Macht
hätte eine Schlacht gegen ein dreibeiniges Kätzchen verloren«, murmelte Philipp vor sich hin.
»… und ist in Gefangenschaft geraten. Der schwarze Prinz verlangt ein hohes Lösegeld und einen vorläufigen Pakt, bei dem der größte Teil Frankreichs unter englische Herrschaft fiele.«
»Wo befinden sich denn die Engländer im Augenblick?«, fragte Thomas.
»Immer noch im Süden«, erwiderte Marcel. »Der schwarze Prinz ist mit seiner Streitmacht nach Chauvigny gezogen, wo er wie eine Spinne auf seine nächste Beute wartet. Allerdings haben wir im Moment größere Probleme als die Engländer.«
»Und welche könnten das sein?«, fragte Philipp und lächelte wieder.
Marcel holte tief Luft. »Wenn Hoheit mir gestatten, fortzufahren…«
Philipp nickte, und auf einen abermaligen Wink seiner Hand hin wandte sich Marcel wieder an Thomas. »Der Dauphin hat die États generaux einberufen…«
»Die Generalständeversammlung?«, fragte Thomas. »Aber die ist doch schon seit Jahrzehnten nicht mehr einberufen worden.«
»Das stimmt. Aber Karl brauchte sie. Dringend.« Eine Ader an Marcels Hals begann zu pochen, und er ballte seine Hände zu Fäusten. »Um das Lösegeld aufzubringen, verlangte Karl von der Bevölkerung von Paris und dem umliegenden Land Steuern – Steuern in einer Höhe, wie Ihr sie Euch nicht einmal vorstellen könnt! Dieser Krieg zwischen unserem und Eurem König, Thomas, hat in den letzten Jahren unvorstellbares Leid verursacht. Und nun schlug Karl Steuern vor, die die meisten ehrlichen Leute in den Ruin gestürzt hätten!«
»Und die Ständeversammlung hat die Steuern deshalb abgelehnt.« Thomas bezweifelte ernsthaft, dass Karl überhaupt irgendetwas vorgeschlagen hatte – sicherlich hatte er nur das wiedergegeben, was ihm irgendwelche gewissenlosen Berater eingegeben hatten.
»Die Ständeversammlung hatte in der ganzen Sache wenig zu sagen.« Marcel hielt inne. »Ich hätte solche Steuern nicht zugelassen.«
»Was sagt Ihr da?«
»Die Pariser hatten genug, Thomas«, sagte Marcel. »Sie brauchten nur jemanden, der sich für sie einsetzte, der sie anführte…«
»Und Ihr wart zur Stelle«, sagte Thomas und erinnerte sich an die Unterhaltung, die er mit Marcel in jener ersten Nacht in Deutschland geführt hatte.
»Es kam zu einem Aufstand«, sagte Marcel, »der in einem großen Blutbad hätte enden können, wenn ihn nicht jemand in die richtigen Bahnen gelenkt hätte.«
»Und…?«
»Also habe ich Prinz Karl im Namen der Menschen von Paris und ganz Frankreichs Forderungen überreicht, die erfüllt werden mussten, bevor wir auch nur einen Sou mehr an Steuern zahlen.«
»Und welche Forderungen waren das?«
»Dass die Macht vom König in die Hände des Volkes gelegt wird«, sagte Marcel.
Thomas starrte den Vorsteher an; er konnte nicht glauben, was er da hörte. Das ging über eine Rebellion hinaus… das war Ketzerei gegen die gottgewollte Ordnung.
»Das gemeine Volk kann dem König keine Forderungen stellen«, sagte Thomas ruhig und blickte Marcel fest in die Augen. »Könige sind von Gott eingesetzt, und der Einzige, der einen König zurechtweisen kann, ist der Papst.«
Philipp kicherte, und Marcel lächelte spöttisch.
»Welcher Papst?«, fragte Marcel. »Anscheinend können wir uns in diesen Tagen des Leids einen aussuchen. Die Könige haben das gemeine Volk im Stich gelassen und die Kirche ist gespalten! Es war Zeit, dass wir die Dinge selbst in die Hand nahmen.«
Thomas sagte nichts, und Marcel fuhr fort. »Ich habe eine Delegation zum Louvre geführt, und wir haben dem Dauphin unsere Forderungen überbracht. Er weigerte sich, sie zur Kenntnis zu nehmen. Es gab eine kleine… Auseinandersetzung.«
Philipp lachte erneut leise. »Was er damit meint, mein lieber Tom, ist, dass seine ›Delegation‹ ein wenig die Beherrschung verlor, zwei von Karls Marschallen angriff und sie auf der Stelle in Stücke riss. Natürlich«, Philipp lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte seine in elegante Seidenstrümpfe gehüllten Beine auf dem Tisch aus, »kann ich mich darüber nicht beschweren. Damals hielt mich der Dauphin wegen irgendeiner eingebildeten Missetat in seinem Kerker gefangen. Nachdem Marcel den Mob erst einmal davon abgehalten hatte, dem Dauphin etwas zuleide zu tun, befreite er mich.«
»Aha«, sagte Thomas, als er endlich begriff. »Und jetzt seid Ihr also sein Verbündeter gegen den Dauphin.« Er fragte sich, ob Marcel wusste, was für ein Verbündeter Philipp sein
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