Hueter Der Macht
konnte.
»Seine Hoheit und ich haben eine Übereinkunft getroffen«, sagte Marcel. »Er unterstützt die Forderung von mir und meinen Kameraden nach einem Mitspracherecht in der Regierung, und wir unterstützen ihn als rechtmäßigen Anwärter auf den französischen Thron.«
Nun war es an Thomas, laut aufzulachen. »Der französische Thron hat mehr rechtmäßige Anwärter^ als ein Hund Flöhe hat! Damit könnt Ihr nicht durchkommen!«
»Das werden wir tatsächlich nicht«, sagte Philipp, »wenn du uns nicht sagst, was du weißt.«
»Und das ist nicht eben viel«, sagte Thomas. »Wie Ihr schon sagtet, hat Karl Paris verlassen. Er sammelt seine Truppen irgendwo im Osten. Ich kenne allerdings nicht den genauen Ort. Streitkräfte sind auf dem Weg zu ihm, um sich ihm anzuschließen. Wenn seine Armee groß genug ist, wird er…«, oder eher seine Schwester, »… zweifellos Paris belagern.«
Philipp und Marcel blickten einander an, und Thomas beobachtete sie.
Frankreich reißt sich selbst in Stücke, dachte er. Der schwarze Prinz muss ihnen nur genügend Zeit lassen, sich umzubringen, und der Weg zum französischen Thron wird für seinen Vater frei sein.
»Ich muss aufbrechen«, sagte Philipp. »Auf der Stelle.«
Marcel nickte und erhob sich. »Ich werde Euch gleich Pferde und eine Eskorte bereitstellen lassen. Wartet hier.« Er sprach kurz mit einer der Wachen an der Tür und verließ dann das Zimmer.
Thomas und Philipp warteten, bis er gegangen war, dann blickte Thomas Philipp in die Augen.
»Was habt Ihr vor, Philipp?«
Der König wich seinem Blick nicht aus. »Ich werde diese gottlose Stadt verlassen«, sagte er, »und zu meinen Gütern im Westen reiten. Dort warten meine Männer auf mich. Ich werde eine Armee zusammenstellen.«
»Und dann?«
»Und dann…«, Philipp lächelte boshaft, »werde ich mir überlegen müssen, auf wessen Seite ich stehe, nicht wahr?«
»Ihr könnt Marcel nicht unterstützen! Was er vorhat, ist ein Verrat an Gott und den Menschen.«
Philipp stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Du kennst mich gut, Tom. Sag du mir, wen ich unterstützen werde.«
»Wer immer Euch am vielversprechendsten erscheint«, sagte Thomas bitter.
Philipp schenkte ihm ein kleines, kaltes Lächeln und verließ den Raum mit erhobenem Haupt.
Thomas saß eine Weile nachdenklich da und blickte ins Feuer, dann stand auch er auf und ging zur Tür. Er wusste nun, dass Marcel eindeutig mit den Dämonen im Bunde, wenn nicht gar selbst ein Dämon war, und er wusste, wie die Dämonen gegen das Christentum vorgehen wollten: mit der Macht des Bösen, das sie insgeheim oder ganz offen verbreiteten, wollten sie die traditionelle, von Gott bestimmte Hierarchie der Gesellschaft ins Wanken bringen. Sie wollten die Kirche angreifen und das Recht des Adels, die Gesellschaft zu regieren, und das einfache Volk davon überzeugen, dass es Herr seines eigenen Schicksals werden konnte. Gütiger Himmel! Was für ein Albtraum! Das Volk bestand aus einfachen Leuten, die die Liebe und Führung der übergeordneten Geistlichen und Adligen brauchten. Gottes Ordnung auf Erden würde zusammenbrechen, wenn man ihnen die freie Wahl ließe! Ach, er sollte lieber sofort aufbrechen, ehe Paris in Flammen aufging. Er konnte größeren Schaden vermeiden, je eher er Wynkyn de Wordes Schatulle fand, und die Geheimnisse, die sie enthielt, gegen die Dämonen einsetzte.
Als er an den Wachen vorbeigehen wollte, traten zwei von ihnen vor und packten ihn am Oberarm.
»Was…«
»Befehl des Vorstehers, Bruder. Zu Eurem eigenen Schutz«, sagte einer der Wachtposten.
Der andere grinste böse. »Paris ist jetzt ein gefährlicher Ort. Wir wollen schließlich nicht, dass Euch etwas zustößt… nicht wahr?«
Kapitel Sieben
Das Fest des heiligen Michael
Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III. (Mittwoch, 29. September 1378)
– MICHAELISTAG –
Es war ein überraschend schöner Michaelistag in La Roche-Guyon, und der Dauphin Karl war in erstaunlich guter Stimmung, dafür, dass die Engländer den gesamten Süden Frankreichs in ihrer Gewalt hatten, seinen Großvater – und die Blüte des französischen Adels – als Geisel gefangen hielten und er vor nicht einmal einer Woche aus Furcht um sein Leben aus Paris geflohen war.
Und das lag nur an einem Bauernmädchen, Jeanne d’Arc.
Sie hatte auf der anderthalbtägigen Reise zur Burg von La Roche-Guyon nur wenig gesagt, außer dass sie im Auftrag Gottes und der
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