Hueter Der Macht
Fleischeslust entstanden ist und von seinem Vater nicht geliebt wird.«
De Noyes und Karl runzelten bei ihrer letzten Bemerkung die Stirn, denn sie wussten nicht, was sie damit meinte, Katherine jedoch sank auf ihrem Stuhl zusammen, aus Furcht vor dem Mädchen.
Sie wurde von Gott geschickt!, dachte Katherine. Gütiger Herr im Himmel, wie soll ich mich vor ihr schützen?
Jeanne wandte sich wieder Karl zu. »Viele werden nach La Roche-Guyon kommen, um sich Euch anzuschließen«, sagte sie, »aber Ihr dürft nicht lange hier verweilen. Wenn Ihr eine ausreichende Streitmacht um Euch versammelt habt, kehrt vor die Tore von Paris zurück. Dort trefft Ihr einen Mann, der Euch helfen kann.«
»Und wer ist das?«, fragte Karl.
»Sein Name«, sagte Jeanne, »ist Philipp, und obwohl er die Zunge einer Schlange hat, könnt Ihr ihn zu Eurem Vorteil einsetzen.«
Tief in der Nacht, als die ganze Zitadelle schlief, außer den Wachtposten auf den Mauern, saß Katherine allein am Fenster ihres Gemachs und blickte auf den silbernen Fluss hinab, der sich tief unter ihr dahinschlängelte.
Sie zitterte in ihrem dünnen Nachtgewand und schlang die Arme um sich.
Jeanne war überaus gefährlich… und niemand hatte vermuten können, dass die Engel eine wie sie schicken würden.
Sie konnte alles zunichtemachen… alles…
Katherine kämpfte gegen die Tränen an, doch ihre Verzweiflung war so groß, dass sie ihr dennoch über die Wangen liefen.
Wie konnte sie vor Jeanne warnen… wie konnte sie den Mann warnen, den sie so innig liebte und er sie?
Sie konnte ihm keine Nachricht schicken. Nicht jetzt. Nicht unter diesen Umständen. Und, gütiger Himmel, es mochte Jahre dauern, bis sie ihn wiedersah.
Katherine wusste nicht, wie sie überleben sollte, wenn ihr Bruder in den Bann der Hexe geriet und im Auftrag Gottes auf Erden handelte.
Sie wusste nicht, wie irgendjemand überleben sollte.
Schließlich konnte sie ihre Verzweiflung nicht mehr länger beherrschen, und sie lehnte sich gegen die kalten Mauern von La Roche-Guyon und brach in lautes Schluchzen aus.
Kapitel Acht
Der Donnerstag vor dem achtzehnten Sonntag nach
dem Fest der Dreifaltigkeit
Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III.
(14. Oktober 1378)
Es gab nicht sehr viele Dinge, mit denen ein Mann sich in einem Gelass die Zeit vertreiben konnte, das kaum größer war als die einfachste Klosterzelle und nur mit einem Schemel und einer Schlafpritsche ausgestattet war. Und Thomas hatte diese Dinge während der letzten zwei Wochen Dutzende Male jeden Tag getan. Er hatte gebetet, meditiert, gelauscht, nachgedacht und war vor allen Dingen wütend in dem engen Raum auf und ab gegangen.
Er war ein solcher Narr gewesen! Seit seinem Erlebnis in der Schlucht hatte Thomas gewusst, dass er Grund genug hatte, Marcel zu verdächtigen. Und was hatte er getan? Er war direkt in das Hauptquartier des Mannes gelaufen. Jetzt war er hier, eingesperrt und nutzlos, und die Dämonen konnten ungehindert ihr Unwesen treiben.
Womöglich hatten sie schon die Schatulle in ihren Besitz gebracht und versuchten nun, sie zu öffnen.
Lieber Herrgott – aber er konnte nichts tun, ehe er sie nicht gefunden hatte.
Wollten die Dämonen, dass er hier eingesperrt blieb, bis es Zeit wurde für die »Prüfung«, mit der sie ihn aufgezogen hatten?
Wenn er nicht gerade auf und ab ging, betete er, aber das Gebet brachte ihm nur wenig Erleichterung. Der heilige Michael hatte ihm geholfen, so gut es ging. Nun war es an Thomas, zu handeln und seinen eigenen Weg zu finden, und er wusste, dass er nicht darauf bauen konnte, dass der Erzengel ihm half, wenn er eine falsche Entscheidung traf.
Wie sollte er einen siegreichen Kampf gegen Dämonen führen, wenn er sich nicht einmal aus einer einfachen Gefängniszelle befreien konnte?
Schließlich, nach über zwei Wochen der Hoffnungslosigkeit und Selbstvorwürfe, näherten sich Schritte, und Thomas hörte, wie der Riegel zurückgeschoben wurde.
Er blickte hoch.
Auf der anderen Seite der Tür war eine leise Unterhaltung zu hören, dann schwang die Tür auf.
Marcel trat ein. Sein Gesicht wirkte verhärmt und erschöpft und hatte einen kränklichen Grauton angenommen, und seine Kleider waren zerknittert und stellenweise von Straßenkot verdreckt.
Thomas starrte ihn nur mit unbeweglicher Miene an und schwieg beharrlich.
»Nehmt Euren Umhang«, sagte Marcel, »und kommt mit.«
Thomas rührte sich nicht und wandte auch nicht den Blick von
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