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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
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erschüttern.«
    »Mag sein«, sagte Marcel und ging weiter die Straße entlang, »aber ich kann trotzdem einen Versuch machen.«
    Wütend, verwirrt und empört eilte Thomas hinter ihm her und schob sich grob an den Parisern vorbei, die sich auf dem kleinen offenen Platz drängten, in den die Grande Rue mündete. Es war beinahe Mittag, und Markt und Handel entlang des Platzes befanden sich auf ihrem Höhepunkt.
    Glocken läuteten und Thomas blickte auf. Ein prachtvolles Gildehaus – den Schildern, die an seinen Mauern und Baikonen hingen, nach zu urteilen, das der Wollhändlergilde – ragte rechts vor ihm auf. Es war mit vergoldeten Türmchen verziert, die ebenso prunkvoll waren wie die einer Kathedrale, wenn nicht gar noch prächtiger, und in seinem Hauptturm befand sich eine große Uhr, deren Zeiger auf Mittag standen. Vor Thomas’ Augen rollten rot und gold bemalte Figuren auf Schienen von der rechten Seite der Uhr hervor, hoben Hämmer und Äxte und führten einen Scheinkampf auf, bevor sie wieder in einer verborgenen Tür auf der linken Seite der Uhr verschwanden.
    Zugleich erklangen die Glocken von Notre-Dame, und obwohl Thomas wusste, dass sie aufgrund der Entfernung leiser klingen mussten, hatte er das unangenehme Gefühl, dass die Glocken des Gildehauses die der Kathedrale in jedem Fall übertönt hätten.
    Die Menschen auf dem Platz hoben den Blick und erfreuten sich an dem Glockenspiel – doch sie blickten das Gildehaus an und nicht Notre-Dame.
    Beteten sie zu Mammon und nicht zu Gott?
    Thomas sah Marcel an und erkannte, dass er ihn durchschaute.
    »Seht Euch diese Menschen an«, sagte Marcel und wies auf die Menge um sie herum. Ein Mann mit seiner Frau und zwei Kindern an der Hand ging dicht an ihnen vorbei, und Marcel lächelte und nickte ihnen zu. »Es sind ehrliche Menschen, die lieben und leiden wie alle anderen Menschen auf dieser Welt auch. Sie wollen nur ein erträgliches Leben führen…«
    »Es verlangt sie nach den falschen Dingen«, sagte Thomas, der Marcels Worte nicht widerspruchslos hinnehmen wollte. »Das Leben im Diesseits ist weder wichtig noch lohnenswert. Sie sollten ihren Blick stattdessen auf das Jenseits richten und darauf, Erlösung zu erlangen, nicht auf die weltlichen Zerstreuungen dieser irdischen Ödnis.«
    »Ihr seid ein bedauernswerter Mann«, sagte Marcel, »und irregeleitet. Wieso soll dieses Leben nicht lohnenswert sein?
    Wieso ist ihr Leben«, er streckte die Hand aus und wies damit auf den gesamten überfüllten Platz, »nicht von Bedeutung?«
    »Wir sind alle Sünder, und das Leben im Diesseits führt uns nur in Versuchung, noch mehr Sünden zu begehen. Nennt Ihr das lohnenswert?«
    »Könnt Ihr nicht sehen, wie blind Ihr seid?«, fragte Marcel. »Könnt Ihr nicht sehen, wie schön diese Welt und dieses Leben ist?«
    »Ich sehe nur Unwissenheit und Sünde.«
    »Dann tut Ihr mir leid«, sagte Marcel, mischte sich unter die Menschen und verschwand in einem Wirbel aus roten und grünen Umhängen und spitzen Kapuzen.
    Wütend eilte Thomas hinter ihm her. »Was habt Ihr getan?«, brüllte er.
    »Ich habe mein Bestes getan«, sagte Marcel über die Schulter hinweg und schritt rasch weiter.
    Thomas fluchte und folgte ihm.
     
     
    Er hatte angenommen, Marcel würde ihn in das Gildehaus führen, doch der Vorsteher bog in eine winzige Gasse daneben und brachte Thomas zu einem kleinen Laden, der unter dem Alkoven des Wohnhauses fast verborgen war.
    Marcel blieb am Eingang stehen und wartete, bis Thomas ihn eingeholt hatte. Dann klopfte er, trat ein und hielt Thomas die Tür auf.
    Dankbar darüber, zumindest dem Gedränge auf dem Marktplatz entronnen zu sein, blickte Thomas sich um.
    Ein Mann mit einer Lederschürze stand hinter einem Tisch, auf dem Werkzeuge lagen. Er war mittleren Alters, sein helles Haar lichtete sich bereits, sein Bart war graumeliert und sein Gesicht wirkte erschöpft und müde.
    In einer Hand hielt er einen kleinen Meißel und in der anderen einen Holzhammer. Auf dem Tisch vor ihm lag ein grob behauenes, geschwungenes Brett, das mit Kreidestrichen bedeckt war, die Augen und Hände des Zimmermannes lenken sollten. Neben dem Tisch standen dicke Holzbretter und geschnitzte Holzstücke… und Thomas wurde mit einem Mal klar, dass es sich um Teile eines Chorgestühls handelte, wunderbar bearbeitet und geschnitzt.
    Auf der anderen Seite des Tisches stand die Frau des Zimmermanns und blickte Thomas mit furchtsamen Augen an. Ein kleiner Junge von etwa sieben

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