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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
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gewesen und ich habe ihn mit einer Botschaft zu Philipp geschickt. Philipp wird ihn zweifellos mit einem Angebot zum schwarzen Prinzen nach Süden entsenden… ich glaube nicht, dass der Mönch oder Philipp mir zu Hilfe kommen werden. Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was ich fühle. Ich bin froh, dass es nun endlich bald vorbei sein wird, wie wir es schon lange gewusst haben. Aber ich bin auch traurig, dass ich den größten Sieg nicht erringen konnte – etwas mehr Freiheit für meine Mitmenschen in Paris. Dennoch glaube ich, dass ich dieser schönsten aller Städte einen Samen eingepflanzt habe, der eines Tages zu solch wunderbarer Frucht heranreifen wird, dass ganz Europa – die gesamte Menschheit! – innehalten und ihre Schönheit bewundern wird.
    Doch dieser Tag liegt noch in weiter Ferne und im Augenblick gibt es nur mich, meine beiden Brüder und meine Schwester. Meine Dame, wisset, dass ich – da ich Euren Namen in diesem Brief nicht nennen darf, für den Fall, dass er in falsche Hände gerät – keinem unserer geliebten Brüder schreiben kann. Wenn die Umstände es erlauben, reicht diesen Brief an sie weiter und sorgt dafür, dass sie über den Mönch Bescheid wissen. Oh, wie stolz ich auf Euch alle bin! Und wie sehr ich Euch alle liebe! Eine wunderbare Zukunft liegt vor Euch. Ich hoffe und bete, dass es die bestmögliche sein wird.
    Der Mönch kommt nun zu Euch. Seid gewarnt, denn er ist von sturem Gemüt und noch schlimmerem Glauben, aber freut Euch, denn er ist an der richtigen Stelle verwundbar. Ihr wisst, was ich meine – unser feenhafter Bruder hat alles gut geplant und die Ausführung lässt nichts zu wünschen übrig.
    Geliebte Schwester, ich umarme Euch nun ein letztes Mal.
     
    In ewiger Liebe,
    Etienne Marcel

Kapitel Neun
     
    Der Freitag vor dem achtzehnten Sonntag nach dem
    Fest der Dreifaltigkeit
    Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III.
    (15. Oktober 1378)
     
     
     
    Das viereckige, hohe Zelt leuchtete rot und golden; Banner mit Troddeln und Bändern und Wimpel flatterten an seinen Ecken und auf seiner Spitze. In seinem Inneren befand sich ein großer, verzierter Spiegel, der im Fernen Osten angefertigt und in Konstantinopel in einen mit Edelsteinen besetzten, vergoldeten Rahmen eingesetzt worden war, ehe er nach Westen verschifft wurde.
    Er war unbeschreiblich kostbar.
    Philipp war der Meinung, dass er seinen Glanz und Ruhm angemessen widerspiegelte. Wenn er erst einmal König von Frankreich war – und endlich die Königreiche Frankreich und Navarra wiedervereinigt hatte –, würde er sich nur noch mit solchen Kostbarkeiten umgeben.
    Wenn er erst einmal König von Frankreich war…
    Philipp lächelte seinem Spiegelbild zu und drehte sich hin und her. Er hob die Hände und hielt kurz inne, um das funkelnde Gold und Türkis seiner Ringe zu bewundern, und strich sich dann über den reich bestickten roten Samt seines Wappenrocks. Er klopfte leicht mit den Fingern der rechten Hand dagegen und erfreute sich an dem Klang, der von der metallenen Brustplatte darunter ausging.
    Dann runzelte Philipp die Stirn, überlegte einen Moment und öffnete schließlich die obersten drei Knöpfe seines Wappenrocks, unter dem nicht nur das Glänzen der Brustplatte zum Vorschein kam, sondern auch das wunderbar gearbeitete Innenfutter des Rocks aus goldener Seide.
    »Majestät.«
    Philipp drehte sich um, nahm den Schwertgürtel entgegen, den sein Diener ihm reichte und legte ihn sich um die Hüfte. Abgesehen von der Kesselhaube, die Philipp noch nicht aufsetzen wollte und unter günstigen Umständen vielleicht gar nicht tragen musste, steckte er in voller Kampfrüstung… doch er würde nicht in den Krieg ziehen. Die Rüstung, den Schmuck, den er angelegt hatte, und die hochmütige Zuversicht, die sich auf seinem Gesicht spiegelte, trug er zum Zweck des diplomatischen Kampfes, eines Krieges der Worte und nicht der Schwerter.
    Der Diener machte sich erneut bemerkbar, und ein wenig verärgert wandte sich Philipp von seinem Spiegelbild ab, nahm das Schwert, das ihm gereicht wurde, entgegen und schob es ungeduldig in die Scheide.
    »Ist alles bereit?«
    »Ja, Majestät.«
    »Und meine Eskorte?«
    »Ist bereits aufgesessen und wartet, Hoheit.«
    Philipp seufzte und spielte mit dem Heft seines Schwertes; plötzlich hatte er es gar nicht mehr eilig. Sein Selbstvertrauen durfte ihm keinen Strich durch die Rechnung machen. Die Verhandlungen mit Karl würden schwierig werden…

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