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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
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übergehen, um nicht darauf antworten zu müssen. Doch dann sah er, dass der Junge eine Träne aus den Augen fortwischte.
    Thomas wandte den Blick ab, um den Jungen nicht verlegen zu machen.
    Schließlich nickte Daniel ruckartig, als traue er sich nicht, etwas zu sagen.
    »Was machst du dann hier?«, fragte Thomas so vorsichtig wie möglich. »Wärst du nicht zu Hause glücklicher, bei Vater und Bruder?«
    »Mein Vater war arm und konnte nicht meinen älteren Bruder und mich dazu ernähren. Der Konvent hat mich aufgenommen. Ich kann nirgendwo anders hin.«
    Thomas antwortete nicht sofort. Ein Teil von ihm wollte einwenden, dass man einem Orden nur aus Frömmigkeit und nicht wegen des Hungers beitreten sollte, doch dann erinnerte er sich an sein eigenes behütetes Aufwachsen und daran, wie leicht sein Leben gewesen war, und er brachte es nicht über sich, Daniel zurechtzuweisen.
    »Warum seid Ihr ins Kloster eingetreten?«, fragte Daniel und platzte mit dieser Frage heraus, als hätte er sie schon seit Monaten mit sich herumgetragen. »Ihr wart ein Ritter! Und hochherzig dazu, wie ich gehört habe… Ich kann mir nicht vorstellen, wieso Ihr ein solch abenteuerliches Leben für einen Orden aufgegeben habt.«
    Thomas konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wo Daniel gehört haben mochte, er sei ein »hochherziger Ritter« gewesen – er glaubte nicht, dass Prior Bertrand den jungen Novizen mit Geschichten über die Jugendabenteuer seines schwierigsten Mönchs unterhalten hatte.
    »Militärische Abenteuer bringen nicht immer Ruhm mit sich, Daniel. Es ist nicht leicht, einen Mann zu töten, oder zuzusehen, wie die eigenen Kameraden erschlagen werden. Mehr als alles andere bringt es einen Mann dazu, über seine eigene Sterblichkeit und das Leben im Jenseits nachzudenken.« Das war eine fromme und unverbindliche Antwort, doch einen Moment lang huschten Erinnerungen an Thomas’ innerem Auge vorbei: seine alten Freunde und Kameraden und die Erlebnisse, die sie auf dem Schlachtfeld und darüber hinaus miteinander geteilt hatten. Wo waren sie jetzt, diese Freunde? Was dachten sie von ihm?
    »Es war also der Krieg, der Euch dazu gebracht hat, in den Orden einzutreten?«
    Thomas wünschte sich plötzlich, Daniel würde aufhören, Fragen zu stellen. »Nein«, sagte er ein wenig kurz angebunden. »Nicht nur der Krieg.«
    »Entschuldigt meine Neugier, Bruder Thomas«, stotterte Daniel, und Thomas sah, dass der Junge sich geduckt hatte, als fürchtete er, Thomas würde ihn für seine Dreistigkeit schlagen.
    Er seufzte. Daniel war in einem Alter, in dem ein Junge voller Fragen war. »Eine Frau, die ich geliebt habe, ist gestorben«, sagte Thomas. Und ihre drei Kinder. »Ich fühlte mich dafür verantwortlich.« Ich hatte sie zurückgewiesen, als sie mich am meisten brauchte.
    »Oh«, sagte Daniel und blickte Thomas mit großen runden Augen an. »Ihr habt eine Frau geliebt?«
    Thomas nickte. Bei jedem anderen als diesem arglosen Jüngling hätte er auf eine solche Frage wohl gereizt reagiert.
    »Und sie Euch?«, fragte Daniel.
    Thomas zögerte und antwortete schließlich: »Ja.«
    »Oh«, sagte Daniel noch einmal, und Thomas sah, dass er eine zutiefst romantische Ader des Jungen getroffen hatte. Gütiger Himmel, wenn der Junge wüsste, dass die Liebe nichts anderes war als ein Durcheinander von Leid und Schmerz.
    Lange Zeit schwiegen sie, und Thomas gab jeden Anschein des Gärtnerns auf. Er konnte sehen, dass sich in Daniels Kopf die Fragen überschlugen, also stellte er die Töpfe beiseite, lehnte sich gegen die Pflanzbank, verschränkte die Arme und kniff nachdenklich die Augen zusammen.
    Es war die beste Gelegenheit, die der Junge jemals haben würde, und zu seiner Ehre muss gesagt werden, dass er sie auch ergriff.
    »Wie ist es, eine Frau zu lieben?«, fragte Daniel mit hochroten Wangen.
    Ja, dachte Thomas, wie ist es…
    »Das hängt von der Frau ab«, sagte er.
    Daniel hatte ebenfalls die Töpfe beiseitegestellt und blickte Thomas nun so erwartungsvoll an, dass dieser beinahe lächeln musste. Er konnte sich erinnern, wie er seinem Onkel dieselbe Frage gestellt hatte, als er in Daniels Alter gewesen war, und einmal in einem besonders mutigen Augenblick sogar dem Herzog von Lancaster höchstselbst. Sein Onkel, Baron Raby, war verlegen gewesen und der Frage ausgewichen, doch Lancaster hatte gelächelt und Thomas’ Neugier gestillt.
    »Es gibt Frauen«, fuhr Thomas fort, »die sind so achtbar, dass es eine Ehre ist, sie zu

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