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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
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verbundenen Augen Angst. Thomas konnte sie über seinen keuchenden Atem hinweg schnauben und wiehern hören. Die ängstlichen Laute der Pferde wurden vom beruhigenden Murmeln der Führer begleitet. Thomas hatte sich anfangs gefragt, warum die Bergführer sich die Mühe machten, die Pferde selbst zu führen, wenn die Wachen der Karawane diese Aufgabe hätten übernehmen können. Jetzt wusste er es. Diese rauen Bergleute verstanden sich hervorragend darauf, mit den Pferden umzugehen, und ohne sie hätten sie sicherlich einen Großteil der Tiere eingebüßt.
    Thomas konnte nun auch verstehen, warum Biermann und Marcoaldi auf dem Ochsenkarren fahren wollten. Den Ochsen schien der Abgrund nicht das Geringste auszumachen. An einer Stelle, an der der Pfad sich nach rechts wandte, der Biegung der Felswand folgend, hatte Thomas gesehen, dass die phlegmatischen Tiere gelassen wiederkäuten, als würden sie über flaches Weideland ziehen statt über einen tödlichen Bergpfad. Die Ochsenkarren waren gewiss so sicher – wenn nicht gar sicherer –, wie zu Fuß zu laufen.
    Johann schien sich keine Gedanken zu machen, und Thomas musste an seine Worte denken, dass es am nächsten Tag noch schlimmer werden würde.
    Gütiger Himmel! Konnte es denn noch schlimmer kommen?
    Als habe Johann seine Gedanken erraten, drehte sich der junge Mann um, während er über einen tiefen Spalt im Pfad kletterte, und lächelte Thomas zu.
    »Bruder Thomas! Habt Ihr den Fels dort links gesehen?«
    Johann drehte sich so weit um, dass er darauf deuten konnte. »Ich habe ihn mir während der letzten Stunde genau angesehen. Ein Mann, der stark genug ist, könnte sicher an seiner südwestlichen Steilwand hinaufklettern, was meint Ihr? Stellt Euch nur die Aussicht dort oben vor! Die ganze Schöpfung liegt Euch zu Füßen…«
    Jetzt verlor selbst Marcel die Geduld. »Still, Johann! Wir müssen uns ganz auf den Aufstieg konzentrieren und können unsere Gedanken nicht auf irgendeine abstruse und gänzlich zwecklose Expedition zum Gipfel eines Felsbrockens verschwenden!«
    Johann zuckte zurück, als sei er geschlagen worden und murmelte etwas Unhörbares, worauf Marcel ebenso leise etwas erwiderte, und die Gruppe kämpfte sich weiter voran.
    Und so bewegten sie sich Schritt um Schritt, Atemzug um Atemzug und Fels um Fels durch den Tag und über den Pass.
     
     
    Bis zum späten Nachmittag setzten sie ihren Aufstieg fort, abgesehen von einigen kurzen Ruhepausen, und Thomas glaubte schon, seine vor Furcht und Anstrengung völlig verkrampften Muskeln würden sich niemals wieder lockern. Er hatte sich für einen recht mutigen Mann gehalten, aber dieser Pfad…
    Er und seine Gefährten atmeten zutiefst erleichtert auf, als der Ochsenkarren an der Spitze plötzlich auf ein kleines Plateau rollte, das in die Felswand geschlagen war.
    »Wir werden hier Rast machen«, sagte Marcel. »Das ist der einzige Ort auf dem gesamten Pass, wo wir sicher unser Lager aufschlagen können.«
    »Werden wir denn nicht mehr bis zum Abend Weiterreisen?«, fragte Thomas.
    Marcel warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Glaubt Ihr denn, wir könnten noch weitere acht oder neun Stunden dessen ertragen, was wir gerade hinter uns gebracht haben?«
    Thomas lächelte gequält und schüttelte den Kopf. »Ich danke Gott schon dafür, dass ich es bis hierher geschafft habe. Ihr müsst es wirklich sehr eilig haben, dass Ihr Euch auf diesen Pass wagt.«
    Marcel blickte zu Marcoaldi und Biermann hinüber, die mit steifen Gliedern aus dem Karren kletterten. »Wir haben alle Dringendes zu erledigen, mein Freund.«
    Er wandte sich von ihm ab, und Thomas ließ sich auf einem einigermaßen trockenen Fleckchen nieder. Er lehnte sich gegen die Felswand und versuchte, seine verkrampften Muskeln zu lockern.
    Gütiger Herr im Himmel, Wynkyn hat diese Reise viermal im Jahr unternommen! Möge der heilige Michael mir auch solchen Mut schenken. Wieder einmal fragte sich Thomas, warum der Heilige ihn für diesen Kampf auserwählt hatte. Er hoffte, dass er körperlich und seelisch stark genug wäre, um die Aufgabe, die der Erzengel ihm übertragen hatte, zu meistern. Zugleich empfand Thomas aber auch Stolz darüber, dass er vor allen anderen auserwählt worden war. Offenbar glaubte der Heilige an ihn und seine Fähigkeiten, und schon das allein richtete Thomas wieder auf.
    Er seufzte und ließ seine Gedanken schweifen, und während die Führer den Wachen dabei halfen, Proviant und Feuerholz von dem ersten Karren zu

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