Hueter Der Macht
Geschöpf! Wir sind schon zu lange frei, als dass wir uns den verlockenden Liedern des Hüters erneut fügen werden…«
»Wer seid ihr?«, krächzte Thomas. »Wer?«
»Ja wer wohl?« Der Dämon lachte erneut zischend. »Ich und die meinen, wir sind deine Zukunft, Thomas. Eines Tages wirst du dich uns anschließen und deinen Gott«, er spuckte das Wort aus wie einen Fluch, »auf den Misthaufen werfen, wo er hingehört!«
»Ich werde Gott niemals verraten!«
Der Mund des Dämons verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Ach, Thomas, aber wirst du den Versuchungen widerstehen können, mit denen wir dich locken werden?«
»Ich werde Gott niemals verraten!«
»Du glaubst, du könntest uns vernichten, Thomas«, sagte der Dämon leise, »aber eines Tages… eines Tages… wirst du dich uns anschließen.«
Plötzlich hob der Dämon den Kopf und ließ den Blick über das Felsplateau schweifen, als hätte irgendetwas oder jemand seine Aufmerksamkeit erregt.
Er blinzelte, legte den Kopf schräg, während auf seinen Hörnern das Mondlicht schimmerte.
Dann blickte er Thomas wieder an. »Du glaubst, die Armeen der Gerechten gegen uns anführen zu können, Thomas. Du hältst dich für Gottes Streiter. Nun, eines Tages, eines herrlichen, finsteren Tages wirst du diese Selbstgerechtigkeit für das Böse opfern!«
Dann umschlossen seine Finger Thomas’ Kehle noch fester, und der Mönch verlor das Bewusstsein.
»Thomas? Thomas? Lieber Bruder, nur ein Mönch, der die harten Pritschen der Klöster gewohnt ist, kann auf diesem steinigen Boden so tief und fest schlafen!«
Thomas öffnete die Augen, spürte eine Hand auf seiner Schulter und fuhr hoch, während Marcel rückwärts auf den Hosenboden fiel.
»Mein Gott, Bruder, wacht Ihr immer so heftig aus dem Schlaf auf? Es muss wohl der Schreck vor den Glocken der Matutin sein, die mitten in der Nacht läuten!«
Marcel versuchte, über Thomas’ Verhalten zu scherzen, aber dieser war nicht zu Scherzen aufgelegt. Er stand auf und zuckte angesichts der Schmerzen in seinem Arm und Bauch zusammen, während seine Augen das Lager absuchten.
»Thomas, was ist denn?« Marcel wollte seine Hand ausstrecken, überlegte es sich dann aber anders.
Einige der anderen, darunter auch die beiden Biermanns und mehrere der deutschen Wachen, hielten in ihren Verrichtungen inne und blickten zu Thomas hinüber.
Alles schien normal zu sein; nichts wies auf das hin, was ihm letzte Nacht geschehen war.
Thomas blickte Marcel an, der ihn mit besorgtem Gesicht betrachtete.
»Thomas… Thomas, was habt Ihr?«
Der Mönch holte tief Luft und beruhigte sich wieder etwas. »In der letzten Nacht wurde dieses Lager von einem Dämon heimgesucht, Marcel.«
»Was sagt Ihr da?«
»Er hat behauptet, ich würde eines Tages scheitern und Gott verraten.«
»Gütiger Herr im Himmel, Thomas! Seid Ihr sicher? War es kein Traum?«
Thomas zog seinen rechten Ärmel zurück und zeigte ihm seinen Arm. »Stammt das etwa aus einem Traum?«
Marcel warf einen Blick auf Thomas’ Arm und stieß einen erschrockenen Laut aus. Die Haut war mit schwarzen und blauen Blutergüssen und tiefen Abschürfungen bedeckt.
Der Kaufmann bekreuzigte sich. »Ein Dämon? Herr im Himmel, hilf mir! Hilf uns allen!«
Er schloss die Augen, fasste sich dann wieder und ergriff zögernd Thomas’ Hand. »Ihr habt ihn mit der Stärke Eures Glaubens vertrieben. Dies ist eine gottlose Gegend, aber Ihr wart stark, und Ihr habt gesiegt. Ihr seid ein guter Mann, Thomas. Ein wirklich guter Mann.«
Thomas ließ sich von Marcels Worten und seiner Berührung trösten, doch er wusste, dass er gegen den Dämon nichts hatte ausrichten können. Der Dämon war von sich aus gegangen oder einem Befehl gefolgt, nicht die Stärke von Thomas’ Willen hatte ihn vertrieben. Doch während Marcels Griff etwas fester wurde, versuchte Thomas sich einzureden, dass der Dämon wohl gespürt haben musste, dass es zwecklos sei, und ihn deshalb in Ruhe gelassen hatte.
»Und Euer Hals«, sagte Marcel leise. »Ihr seid wirklich misshandelt worden, Bruder. Kommt, einer der Führer versteht sich ein wenig auf die Heilkunst und hat ein paar Salben bei sich, die die gröbsten Schmerzen bei Verstauchungen und Blutergüssen lindern.«
Thomas lächelte schwach, um Marcel für seine Fürsorglichkeit zu danken. »Und wir wollen hoffen, dass sich damit auch die Wunden behandeln lassen, die ein Dämon verursachen kann, mein Freund.«
Marcel brachte Thomas zu einem der Führer
Weitere Kostenlose Bücher